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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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wohl gerne an Pianistinnen, die seine Werke berühmt machten.
    Clara gab darauf keine Antwort. Von Felix Mendelssohn hatte sie erfahren, dass sich Robert Schumann nach der Ehe sehne. »Was wollen Sie, Clara«, sagte Felix Mendelssohn und lächelte. »Er ist siebenundzwanzig Jahre alt. Zeit, sich zu binden.« Felix Mendelssohn liebte die Institution der Ehe, hatte er doch selbst gerade geheiratet: seine »ausländische Rose« Cécile Jeanrenaud, auf deren bevorstehende Ankunft die Leipziger Gesellschaft bereits ungeduldig wartete.
    Einen Augenblick lang dachte Clara, wie es wohl wäre, Felix Mendelssohn anzuvertrauen, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der sie und Robert Schumann einander liebten. Dann aber schwieg sie. Sie hatten ihre Liebe geheim gehalten, als sie noch brannte wie ein süßes Feuer. Warum sollte sie jetzt darüber sprechen, da alles vorbei war? »Es redet trunken die Ferne, wie von künftigem großem Glück ...« Vielleicht hatte Robert Schumann sein Glück bereits gefunden, das künftige, große, und dachte nur noch mit Widerwillen an die Zeiten zurück, als ihn sein einst verehrter Lehrer missachtete und demütigte.
    Unentwegt ratterten die Räder der Postkutschen durch das Land. Clara hatte sich so sehr an ihre Mobilität gewöhnt, dass sie nachts manchmal aufwachte und erschrak, weil sich um sie herum nichts bewegte. Ständig wechselten die Orte, an denen sie sich aufhielt, und ständig traf sie mit neuen Menschen zusammen – flüchtige Begegnungen, die mit einem bedauernden »Adieu, bis zum nächsten Mal!« endeten und schon vergessen waren, wenn das Gepäck aufgeladen wurde.
    Trotzdem ergaben sich manchmal längere Gespräche oder Freundschaften auf Zeit, in denen Wildfremden auf einmal mehr anvertraut wurde als den ältesten Bekannten. Reisegefährten etwa, mit denen man auf einen Anschluss wartete und die für ein paar angenehme Momente daran erinnerten, dass es viele, ganz unterschiedliche Möglichkeiten gab, Beziehungen zu knüpfen.Das Mädchen Clara, das sich als Kind so lange nicht preisgegeben hatte, hatte längst das Schweigen gebrochen und plauderte gerne auch mit Fremden. Es hatte seinen eigenen Wert erkannt und fürchtete keine Zurückweisung. Die Liebe mochte man Clara genommen haben, aus der Welt zurückziehen wollte sie sich deswegen aber nicht.
    Sie erlebte, dass man sie nun ganz anders behandelte als früher. Noch vor kurzem war sie durch ihr Kindsein beschützt worden. Wenn ihr Kritik entgegenschlug, ging es meist um ihren Status als Wunderkind oder um ihre kaum fassbare Virtuosität, der man ein gewisses Maß an Automatismus und innerer Kälte unterstellte. Erst wenn sie dann am Klavier zu fantasieren anfing, brachte sie ihre Kritiker zum Schweigen.
    Nun, da sie in den Augen der Welt erwachsen war, wehte ihr plötzlich ein ganz anderer Wind entgegen. Sogar in Robert Schumanns »Neuer Zeitschrift für Musik« erschien die Rezension eines gewissen Carl Ferdinand Becker über Claras eben in Druck erschienenes Klavierkonzert. Eigentlich seien Frauen in keiner Weise geeignet zu komponieren, schrieb der wackere Kritiker, seiner Männlichkeit stolz bewusst. Es widerstrebe ihm daher, sich mit dem Werk einer »Dame« überhaupt auseinanderzusetzen: »Mit Frauen kämpfe ich nicht. Nur wo Waffen sind, greife ich an.«
    Friedrich Wieck tobte und gab Robert Schumann die Schuld an allem. Clara selbst sagte nichts dazu, aber sie dachte, dass es auf dieser Welt wohl doch nur einen einzigen Menschen gab, auf den sie sich ohne Einschränkung verlassen konnte.
    Ganz unerwartet trat sie an ihren Vater heran und umarmte ihn.
    »Mein lieber Papa!«, flüsterte sie, wie sie einst »Mein lieber, lieber Robert!« geflüstert hatte.
    Friedrich Wieck war erst peinlich berührt. So nahe hatten sie auf all ihren Reisen beieinandergelebt, dass ihm innerhalb dieser Enge ein gewisser körperlicher Abstand immer als gesund und notwendig erschienen war. Umarmungen kamen nur seltenvor. In diesem Augenblick aber ahnte er, was in Clara vorging, und für einen flüchtigen Moment umschlossen seine Arme die Tochter. Dann aber ließ er sie gleich wieder los. »Wir wussten doch schon immer, was wir von diesem Herrn zu halten haben«, knurrte er, und es bestand kein Zweifel daran, welcher Herr gemeint war.
    Friedrich Wieck konnte mit Kritik nur schwer umgehen. Vor allem die ironisch-spielerischen Rezensionen der Großstadtpresse machten ihm zu schaffen. Was er wollte, waren Lob und die Schilderung des Beifalls, den

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