Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
Vom Netzwerk:
Dies war nun wirklich das Ende, dachte sie. Solange Robert Schumann die Angriffe ihres Vaters geduldig ertragen hatte, hatte es vielleicht noch Hoffnung gegeben. Nun aber hatte er zurückgeschlagen. Auf seine Art. Subtil und unerwartet kalt und schneidend. Wie sollte nach so viel Hohn und Verachtung noch eine Versöhnung möglich sein?
    Die Liebenden des Altertums wurden getrennt durch das nächtliche Meer, dachte Clara. So vieles trennte nun auch sie, Clara Wieck, und Robert Schumann. Viel mehr sogar noch als nur kalte Wogen. Eisiger Hass war zurückgeblieben, wo einst so viel Zärtlichkeit und Bewunderung gewesen waren. Leander, durch List getäuscht, war ertrunken. Was würde mit Robert Schumann geschehen und was mit ihr selbst, die beide doch so guten Willens gewesen waren? »Lieber, lieber Robert!«, hatte sie ihm oft zugeflüstert, und sie konnte es nicht vergessen. Wie durfte er es ihr da antun, ihr als Beda eine Doppelgängerin wie Ambrosia zur Seite zu stellen?

Der Schwimmer im nächtlichen Meer
1
    Clara Wieck, das gepanzerte Mädchen. Die ständigen Reisen und Konzerte zehrten an ihrer Kraft. Dass sie trotzdem ihre Aufgaben scheinbar mühelos bewältigte und, anstatt vor Müdigkeit und Überdruss zusammenzubrechen, blühend aussah und heiter durch die fremden Städte spazierte, lag wohl daran, dass sie alles, was mit ihren Auftritten nicht direkt zusammenhing, ihrem Vater überließ.
    »Er hält dich wie eine Sklavin«, hatte Robert Schumann einmal gesagt – in Dresden, als das Paradies so nahe schien. Etwa zur gleichen Zeit bezeichnete sich Friedrich Wieck seinerseits als den Lohnsklaven seiner Tochter. Er lächelte dabei, doch jeder konnte sehen, dass er in der Tat nur für Clara lebte. Sie brauchte bloß zu den Konzerten zu fahren und dort ihr Bestes zu geben. Er übernahm die aufreibenden Tourneeplanungen und die Sisyphusarbeit an Ort und Stelle. Wenn Clara seine Sklavin war, so war tatsächlich zugleich er ihr Sklave. Einer wäre ohne den anderen nicht denkbar gewesen. Sie brauchten einander, damit das Publikum vor Ergriffenheit aufstöhnen konnte. Eine künstlerische Symbiose, in der der eine vom anderen profitierte und ihn gleichzeitig aussog. Sie tauschten ihre Kraft hin und her. Gemeinsam waren sie stark, und für einen Dritten war kein Platz.
    Robert Schumann, einst der heimliche Dritte, abgewiesen und stehen gelassen, schien sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. Die perfide kleine Rache des »Kunsthistorischen Balles« hatte ihn wohl darüber hinweggetröstet, dass er im realen Lebennicht in der Lage gewesen war, den Streit mit Friedrich Wieck zu gewinnen. Auf einmal aber ging es ihm gut. Er trank nicht mehr, und alle Welt redete von den »Davidsbündlertänzen«, die er komponiert hatte. Eusebius und Florestan vereinten sich hier zu einer Ganzheit, als hätte Robert Schumann endlich zu sich selbst gefunden, traumverloren und doch real wie in seinem Lied »Schöne Fremde«:
    »Es redet trunken die Ferne,
    wie von künftigem großem Glück.«
    Clara kaufte die Noten und spielte sie heimlich, wenn Friedrich Wieck außer Haus war. Danach auch Robert Schumanns »Phantasiestücke« mit dem Nocturno über Hero und Leander, die Sehnsuchtsvollen, die Robert Schumann, als er noch Claras »lieber, lieber Robert« gewesen war, manchmal mit ihrer eigenen Liebesgeschichte verglichen hatte. Der Schwimmer im nächtlichen Meer, unterwegs zu seiner Geliebten und danach wieder von ihr fort ... Zuletzt der Tod in den Wellen. Robert Schumann hatte Clara erzählt, dass ihn selbst oft der Traum quäle, er kämpfe mit den Wellen und finde in ihnen den Tod.
    Seine Werke brachten ihn Clara innerlich wieder näher. Zugleich aber gab sie ihn für sich verloren. In Leipzig war es ein offenes Geheimnis, dass er sich um eine andere Frau bemühte: Robena Laidlaw, Pianistin wie Clara und im gleichen Alter wie sie. Eine geborene Engländerin, doch in Königsberg aufgewachsen. Mit ihrer ehrgeizigen Mutter reiste sie von Stadt zu Stadt, auf der Jagd nach dem ganz großen Ruhm und ständig in Eile, denn die Jugend war kurz und was jetzt nicht errungen wurde, blieb für immer unerreichbar.
    Manche Kritiker verglichen Robena mit Clara, allerdings sei Robenas Spiel nicht so virtuos und kräftig, dafür aber zart und elegisch mit einem fremdartigen, undeutschen Reiz. Robena trat oft mit Werken von Robert Schumann auf, was Friedrich Wieck zu der verächtlichen Bemerkung veranlasste, »unser somnambulerFreund« hänge sich

Weitere Kostenlose Bücher