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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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hatte. Man konnte nicht wissen, wie viele der Gäste seine Kunstwirklich verstanden hatten und zu schätzen wussten. Begeistert schienen sie alle, aber das gehörte zum Ritual dieser Abende und zum erwünschten Benehmen in diesen Kreisen. Clara kam es vor, als stünde sie selbst an Chopins Stelle. Sie hätte ihn gerne getröstet, obwohl ihm doch alle zujubelten.
    Als sie selbst am Ende des Festes an die Reihe kam, waren schon viele der Gäste gegangen – zu anderen Festen oder nach Hause. An diesem Abend widersetzte sich Clara dem Gebot ihres Vaters. Sie drosch nicht in die Tasten, die Friedrich Wieck in der Zwischenzeit provisorisch repariert hatte, sondern sie fantasierte nur am Klavier: verträumt, ein wenig traurig und in der Seele verletzt, auch wenn sie nicht wusste, warum, oder ob es überhaupt so war. Sie war dankbar und auf eine ungewohnte, stille Weise fast glücklich, als sie spürte, dass die Zuhörer aufhorchten und ihrer Stimmung folgten. Der Applaus war nicht so laut wie sonst, aber ein paar Damen streichelten sie, als sie den Raum verließ. Es kam ihr vor, als ob für kurze Zeit ein Gefühl der Zärtlichkeit den Raum erfüllt hätte, der Liebe und – warum nur? – der Fülle und der Zufriedenheit.
    Als sie nach dem Konzert wieder im Hotel waren, wartete Clara darauf, dass ihr Vater sie für ihren Ungehorsam tadeln würde. Doch er schwieg nur, und bevor sie zu Bett ging, küsste er sie auf die Stirn.
3
    Man sprach über Clara, auf einmal sogar in den höchsten Kreisen der Stadt. Friedrich Wieck flatterte von einer Ecke seines Hotelzimmers zur anderen und wieder zurück, so aufgeregt und stolz war er, als ein Bote der Prinzessin Vacdemonc eine Einladung zu einer großen Soiree überbrachte. Auf eine Antwort wurde nicht gewartet. Die hohen Herrschaften wussten, dass der kleine Impresario aus Deutschland lieber gestorben wäre, als diese Einladung auszuschlagen.
    Als der Abend kam, putzte Friedrich Wieck sein Clärchen mit besonderer Sorgfalt heraus. Eigenhändig flocht er breite, himmelblaue Seidenbänder in ihr schwarzes Haar und betupfte ihre Wangen mit sanftem Rouge. Der Bote der Prinzessin hatte angedeutet, seine Herrin sei bereit, sich für »mehr als außergewöhnliche Kunstausübung« nicht nur materiell erkenntlich zu zeigen. Sie ziehe in Erwägung, die junge Künstlerin auch noch darüber hinaus zu protegieren. »Würde ein Konzert im Hôtel de Ville dem Aufstieg Ihres Schützlings förderlich sein, Monsieur?«, fragte der Bote, der wohl mehr war als nur ein Bote.
    Friedrich Wieck wagte nicht, nach seinem Namen zu fragen. Erst durch Gabrielle erfuhr er danach, dass es sich um den persönlichen Sekretär der Prinzessin gehandelt hatte. Noch auf der Fahrt in der Kutsche, die man ihnen geschickt hatte, fragte sich Friedrich Wieck besorgt, ob er sich dem einflussreichen Herrn gegenüber auch ehrerbietig genug verhalten habe. Eine solche Chance durfte nicht durch nachlässiges Benehmen verdorben werden.
    Ein Konzert im Hôtel de Ville , dem Gebäude der Stadtverwaltung! Nur eine Person mit den Einflussmöglichkeiten der Prinzessin konnte eine solche Adresse vermitteln. Man musste beten, dass sie mit Claras Auftritt zufrieden war und ihr Angebot wahr machte. Ein öffentliches Konzert im Pariser Hôtel de Ville würde alle Kritiker in der Heimat zum Schweigen bringen. Danach würde Clara auf gleicher Höhe mit den ganz Großen stehen, die jetzt noch vorgaben, sie nicht zu kennen.
    Die Gastgeberin erschien erst, als die meisten Gäste bereits im Audienzsaal versammelt waren. Danach verstrich noch einmal eine beträchtliche Zeit, bis alle vorgestellt und begrüßt worden waren. Claras Herz klopfte, und es verschlug ihr den Atem, als der Zeremonienmeister einen Namen rief, den sie schon oft in ihrem Leben gehört hatte, vielleicht auch gefürchtet: »Mademoiselle Camilla Moke!« Die Moke, das einstige Wunderkind, von der man zumindest in Leipzig schon lange nicht mehr sprach! So erfolgreich wie sie wollte Friedrich Wieck einst auch seine kleineClara sehen, damals, als sie noch stumm im Kinderbett lag, wenn er am Morgen vor der Arbeit zu ihr hineinstürmte.
    Die Moke, die Belleville, die Blahetka ... Klein war sie noch immer, dachte Clara, als Camilla Moke die Stufen zu Prinzessin Vacdemonc hinaufstieg und in einen Knicks versank. Sie trug ein Kleid aus rosafarbener Atlasseide, das sie zugleich kindlich und verrucht aussehen ließ. Ihre dunklen Augen waren mit schwarzer Schminke umrandet, und ihr

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