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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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Beispiel der eigenen, gescheiterten Mutter immer als Warnung vor Augen. Allein stand Clara da, mitten in dem kleinen Saal, der nur für Künstler bestimmt war, und sie fragte sich, ob denn alles im Leben regelhaft vorbestimmt war oder ob man eine Wahl hatte.
    In diesem Augenblick sprang die Türe auf, aufgestoßen mit einem solchen Schwung, dass sie an der rückwärtigen Wand aufschlug. Die Kerzen in den Kronleuchtern und Appliken flackerten. Unwillkürlich trat Clara ein paar Schritte zurück in den Schatten.
    Drei junge Männer stürmten herein, Champagnergläser in der Hand. Sie lachten und pufften einander gegenseitig und machten sich übereinander lustig: über die Eigenarten des jeweils anderen, seine Stärken und Schwächen und über die Verschiedenheit der Menschen, von denen sie verehrt wurden. Man redete Französisch, doch Clara verstand trotzdem fast alles. Dabei fiel ihr auf, dass mindestens zwei der jungen Männer mit Akzent sprachen.
    Sie erschrak, als sie begriff, wer da vor ihr herumtollte: Ferdinand Hiller, Felix Mendelssohn Bartholdy und Frédéric Chopin – drei der gegenwärtig bekanntesten Komponisten und Interpreten! Nur ein paar Schritte von ihr entfernt schlürften sie ihren Champagner, schwangen sich auf die Fensterbänke und ließen sich wieder heruntergleiten, voller Leben, voller Bewegungsdrangund Übermut. Clara konnte es kaum glauben, als sich Ferdinand Hiller bückte und Felix Mendelssohn einen Bocksprung über seinen Rücken machte. Auch Frédéric Chopin, dessen Melancholie in den Herzen der Damen wahre Verheerungen anrichtete, schloss sich an. Hopp, hopp, hopp! Dazu lachten sie, als hätten sie noch nie voller Konzentration und Pathos an ihren Instrumenten gesessen und sich im Rausch der Musik verloren.
    Menschen wie sie selbst, dachte Clara. Bestimmt hätten sie sie erkannt, wenn sie sie nur bemerkt hätten. Es war undenkbar, dass sie nicht wussten, wer Clara Wieck war. Am liebsten wäre sie vorgetreten und hätte sich gezeigt. Hätte sich ihnen zugesellt, weil sie doch in derselben Welt lebten wie sie ... Und doch waren sie ihr fremd. Ihre lauten, männlichen Stimmen füllten den Raum, dass es schallte. Ja, sie waren Männer und älter als sie, Clara Wieck, das Wunderkind, wobei die Bedeutung plötzlich auf »Kind« lag. Auf einmal kam es ihr vor, als wäre sie im falschen Körper gefangen.
    Wie ungerecht es war! Sie beherrschte ihr Instrument nicht weniger souverän als jene drei. Wenn sie auftrat, tat sie es mit dem gleichen Einsatz. Auch ihr Publikum erfreute sich und applaudierte. Man lud sie in die gleichen Häuser ein, und auch jene nahmen Geld dafür. Pianisten. Künstler. Jene genau wie sie. Kollegen, hätte Friedrich Wieck gesagt. Manchmal sogar Rivalen. Konkurrenten sie alle.
    Und doch fühlten sich jene einander verbunden. Sie tranken Champagner miteinander, lachten und scherzten. Das Mädchen Clara Wieck jedoch stand weit außerhalb. Die gleichen Pflichten und doch nicht gleichwertig.
    Sie hatte auf einmal keine Lust mehr, sich den dreien zu nähern. Noch immer im Schatten, sah sie zu, wie sie zur Tür eilten, ohne sie zu bemerken. Eigentlich hätten sie sie sehen müssen, so nah liefen sie an ihr vorbei. Doch sie beachteten sie nicht. Da stand ein Kind, das um diese Zeit eigentlich schon ins Bett gehörte. Ein Mädchen nur. Irgendein Mädchen.Friedrich Wieck hatte Grund zur Freude, doch auch Anlass zur Enttäuschung. Beides ergab sich auf dem Ball. Er war entzückt, als er inmitten der bunten Gästeschar die hagere Gestalt Paganinis entdeckte, das Gesicht bleicher und totenkopfähnlicher als je zuvor, die Brauen noch wilder und die Gesten noch ungebärdiger. Paganini, mein Freund!, dachte Friedrich Wieck und drängte sich durch die zähe Menge. Fast hatte er den Geiger schon erreicht und wollte sich ihm bemerkbar machen, da packte ihn ein junger Mann aus Paganinis Entourage am Arm und hielt ihn zurück.
    Friedrich Wieck erkannte ihn sofort. Oft genug hatte jener bei den Gesprächen mit Paganini gedolmetscht. »Giorgio!«, rief Friedrich Wieck erfreut. Doch der junge Mann ging nicht auf seine Freundlichkeit ein. In französischer Sprache wimmelte er Friedrich Wieck ab und rief über den Festlärm hinweg, der Maestro sei nicht zu sprechen.
    »Aber ich bin es doch – Friedrich Wieck! Erkennen Sie mich nicht mehr? Sie waren mehrmals bei mir zu Gast. Ich bin ein Freund des Maestro. Friedrich Wieck aus Leipzig ... in Deutschland!«
    Doch Giorgio drängte ihn ab in die

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