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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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Menge. Friedrich Wieck versuchte weiter, seine Erinnerung wachzurufen. Dann atmete er auf und schöpfte Hoffnung, denn Paganini hatte sich umgedreht und blickte in seine Richtung.
    »Maestro!«, rief Friedrich Wieck und winkte heftig. Er sah, dass ihm Paganini eine Sekunde lang ins Gesicht schaute. Doch seine Miene veränderte sich nicht. Gleichmütig wanderten seine Augen weiter. Dann wandte er sich um, und die wogende Menge schwemmte ihn davon. Schon war er nicht mehr zu sehen. Auch der junge Giorgio war auf einmal verschwunden, und neue, fremde Gesichter tauchten für kurze Zeit vor Friedrichs Augen auf und machten sogleich wieder anderen Platz.
    Friedrich Wieck stand da und spürte, wie man ihn hin und her schob. Niemand beachtete ihn. Trotzdem schämte er sich plötzlich. Er versuchte, eine Entschuldigung für Paganinis Verhalten zu finden, die auch ihn selbst souveräner erscheinen lassen würde.Vielleicht hatte ihn der Geiger nicht erkannt, weil er aus Eitelkeit seine berühmte blaue Brille nicht tragen wollte. Wenn man sich aber morgen Vormittag bei ihm melden ließ, würde er sein Versehen bestimmt bedauern ... Doch dann gestand sich Friedrich Wieck ein, dass sich Paganini wahrscheinlich einfach nicht mehr an ihn erinnerte und dass es eine Freundschaft zwischen ihm und Paganini niemals gegeben hatte. Der Geiger, der ruhelos von Stadt zu Stadt reiste, hatte ihn in der Minute vergessen, in der seine Kutsche aus Leipzig hinausrollte. Niemals würde er Friedrich Wieck gerührt in die Arme schließen und versichern, er freue sich, seinen guten Freund wiederzusehen. Niemals würde es ein gemeinsames Konzert von »Maestro Niccolò Paganini und Demoiselle Clara Wieck« geben. Die kleine Madamigella aus Leipzig hatte den Künstler amüsiert, doch schon in der nächsten Stadt warteten wieder andere Menschen, in deren Küche die Entourage des Meisters aus den Töpfen naschte und die Hausfrau oder Köchin »Mamma« nannte.
    Mühsam bahnte sich Friedrich Wieck den Weg zurück zum Künstlerzimmer. Bevor er die Türe öffnete, beschloss er, Clara nichts von seiner Demütigung zu erzählen. Das arme Kind würde noch früh genug erfahren, wie vergesslich das fahrende Volk der Künstler sein konnte. Als er eintrat, sehnte er sich plötzlich nach Clementine, so bieder und hausbacken, doch für sie war er das Wichtigste im Leben.
    Ein Auftritt in erlauchtem Kreis – doch im Ablauf nicht anders als alle anderen Abende auch. Clara präsentierte ihre Bravourstücke, und das Publikum staunte über ihre Virtuosität. Der berühmte Kalkbrenner erkannte eines seiner eigenen Stücke wieder und flüsterte seiner jungen, schönen, reichen Gemahlin zu, dieses Kind sei das größte Talent seiner Generation. Madame Kalkbrenner nickte und zuckte zugleich die Achseln. »In Deutschland wird sie untergehen.« Dann wandte sie ihren gelangweilten Blick wieder auf das Wunderkind – wohl wirklich noch ein Kind, wie man bei der Prüfung seines Dekolletés feststellen konnte.
    Clara merkte nichts von alldem. Wie immer spielte sie mit vollkommener Konzentration. Für die Dauer eines Konzerts waren alle Kränkungen und Sorgen vergessen. So gehörte es sich für einen Künstler, und genau so hatte sie es von ihrem Vater gelernt. Auch er selbst dachte in diesen Minuten nicht mehr an Paganini und an seine eigene, beschämende Naivität. Er hatte nur Augen für Clara und für ihre Wirkung auf das Publikum, vor allem aber auf die Prinzessin, von deren Zustimmung so viel abhing.
    Keiner hätte seine Umgebung strenger beurteilen können als Friedrich Wieck. Keiner hätte schneller seine Schlüsse für späteres Verhalten ziehen können. Die himmelblauen Schleifen machten sich wunderbar im Kerzenlicht, doch das Rouge hätte stärker aufgetragen werden können ... War es richtig gewesen, Clara gleich um zwei Jahre jünger zu erklären? Eigentlich entsprach ihr Aussehen genau ihrem Alter, und wenn sie sich zum Abschied verneigte, sah sie sogar noch ein wenig älter aus, als sie wirklich war. Die langen Reisen und die Anstrengungen der vielen Konzerte gingen auch an ihr nicht spurlos vorüber. Es war an der Zeit, nach Leipzig zurückzukehren und ihr eine Ruhezeit zu gewähren ... In diesem Augenblick fiel ihm wieder Paganini ein, und er spürte plötzlich ein Schluchzen in seiner Kehle, das sich aber unter dem Beifall des Publikums wieder löste.
    Die Prinzessin Vacdemonc erhob sich von ihrem thronartigen Sessel. Sie trat auf Clara zu und küsste sie auf die

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