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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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weißt doch, wie sehr Herr Schumann dich verehrt. Dein Lob geht ihm über alles. Du bist wie ein Vater für ihn.«
    Friedrich Wieck entzog sich ihrer Berührung. »Mag sein«, murmelte er. »Aber nicht alle respektieren ihren Vater, wie sie es sollten.« Als er sah, wie bestürzt Clara war, seufzte er versöhnlich. »Also eines, Clärchen: Du wirst in deinem Leben noch so manchem begegnen, der dir Unsinn erzählt. Es würde mich beruhigen, wenn ich wüsste, dass du auf so etwas nicht hereinfällst.«
    Clara war froh, dass sich sein Zorn gelegt hatte. »Ich verspreche es dir, Papa«, sagte sie gehorsam und versuchte, nicht an Zilia zu denken, die vielleicht nicht ganz genau wusste, ob ihr Vater auch wirklich immer recht hatte.
2
    Claras Tage waren so angefüllt mit Tätigkeiten, dass sie sich am Abend oft kaum noch erinnern konnte, womit sie sich beschäftigt hatte. Zu ihren üblichen Verpflichtungen hatte Friedrich Wieck ihr aufgetragen, mit der Komposition eines Klavierkonzerts zu beginnen, das alle Zweifler am weiblichen Kompositionstalent zum Schweigen bringen und die Zukunft des Wunderkinds Clarasichern sollte. »Es muss brillant werden, Clärchen«, hatte er verlangt und ihr die Wange getätschelt. »Es muss diesen Weiberfeinden den Wind aus den Segeln nehmen.«
    Sogar einen Titel für das neue Werk hatte er bereits gefunden und ihn in Zierbuchstaben eigenhändig auf den Umschlag der Mappe geschrieben, die nur einen Packen leerer Notenblätter enthielt – eine klare Aufforderung, die den meisten Musikern Angst eingejagt hätte. Clara aber bewunderte die schöne Schrift und ließ die Blätter spielerisch durch ihre Finger gleiten. »Eine Menge Papier«, sagte sie lächelnd. »Ob mir so viel einfallen wird?«
    Doch Friedrich Wieck zuckte nur die Achseln. »Du kannst sogar noch viel mehr haben«, versprach er ungerührt. »Zeig es ihnen, Clara! Zeig ihnen, dass auch Frauen komponieren können.« Dabei kam es ihm wohl nicht darauf an, das Talent von Frauen im Allgemeinen zu beweisen, sondern nur das Genie dieser einen kleinen Frau, seiner Tochter, seiner künstlerischen Schöpfung und – das musste er sich auch einmal eingestehen – seines kleinen Goldesels. Das durfte er aber auch erwarten nach all den Opfern, die er für sie gebracht hatte.
    Eigentlich hatte er in den letzten Jahren nur für sie gelebt. Seine übrigen Kinder und Clementine, die inzwischen wieder guter Hoffnung war, spielten in seinem Leben nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Materiell waren sie bestens versorgt, doch interessiert war er allein an Clara. Deshalb fand er es auch nur recht und billig, dass sie seine Anweisungen fast ohne Widerspruch stets befolgte. Irgendwie hatte sie gelernt, auf seine Weise zu denken und seine Entscheidungen manchmal sogar vorwegzunehmen. Man hätte nicht einmal sagen können, dass er sie dafür liebte, denn eigentlich betrachtete er sie als einen Teil von sich selbst. Er war für sie da und sie für ihn. So einfach war das, und es bedeutete auch, dass alles, was sie mit dem Spiel ihrer Hände verdiente, sein Eigentum war. Er war der Vater. Er war der Verantwortliche. Ohne ihn wäre das Geld, das hereinkam, nie verdient worden.
    So musste es auch genügen, dass er Clara nährte, kleidete und vor allem weiterhin förderte. Der Reingewinn, der inzwischen heraussprang, gebührte ihm allein. Er war der Preis für seine Sorge und seine Hingabe. So war es nur gerecht, dass er ihn in seine eigenen Geschäfte steckte, die er Claras wegen so oft vernachlässigen musste. Für Clara gab es stattdessen schöne Kleider und ein bescheidenes Taschengeld, damit sie sich auf den Reisen hin und wieder eine Tasse Schokolade leisten konnte, Bücher, die sie inzwischen für sich entdeckt hatte, oder edles Briefpapier – auch für die Korrespondenz mit ihrer verkommenen Mutter.
    Auf Claras Namen zurückgelegt wurde nichts. Aber man plante ja auch nicht, sich zu trennen. Auch Mariannes Vermögen hatte Friedrich Wieck nach der Scheidung für sich behalten: ihre Mitgift und ihre gesamten Honorare als Künstlerin. Dazu fühlte er sich berechtigt. Marianne hätte ihn ja nicht betrügen müssen. Indem sie die Ehe brach, gab sie sich in gewisser Weise auch als verheiratete Frau selbst auf und damit alles, was ihr zur Zeit der Ehe gehört hatte.
    Doch Clara betrog ihn nicht. Clara war nicht sein Feind. Sie war, wie er immer wieder im gemeinsamen Tagebuch betonte, seine »innigst geliebte Tochter«. Das bewies sie jetzt von Neuem, als

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