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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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und »Teresa« sagte, begriff die junge Frau. Dann zeigte die Frau auf sie und hob fragend die Schultern. Sie wollte offenbar ihren Namen wissen. Die Jüngere blieb stumm.
    Die junge Frau wirkte nachdenklich, dann schüttelte sie bedauernd den Kopf. Tränen traten in ihre Augen. Die Schwarze tätschelte ihr beruhigend die Wange. Was für eine Schnapsidee von ihr, Teresa, das arme Kind zum Sprechen bringen zu wollen! Das Mädchen hatte sicher seine Stimme noch gar nicht wiedergefunden.
    Die junge Frau öffnete erst den Mund, als die Ältere einen kleinen Löffel mit Milchreis davorhielt, um sie zu füttern. Der Duft löste angenehme Gefühle in ihr aus, aber sie hätte nicht zu erklären vermocht, an was genau er sie erinnerte. Und die schönen Empfindungen hielten auch nicht lange an. Schnell wurden sie wieder von den Fragen abgelöst, die sie schon seit dem Aufwachen quälten. Was war passiert? Wo befand sie sich? Wer war diese Person?
    Und vor allem: Wer war sie selber?

[home]
2
    A n meinem siebten Geburtstag fragte mich die Mutter morgens, bevor ich zur Schule ging, welches Essen ich mir zum Mittag wünschte. Sie wusste genau, welches mein Lieblingsgericht war, und dieses wünschte ich mir natürlich auch: Milchreis mit Zimt und Zucker. Den ganzen Vormittag über starrte ich aus dem Fenster in der Schule. Es war ein grauer Dienstag, Regentropfen trommelten gegen die Scheibe. Die vergangene Woche in diesem November des Jahres 1810 war schön gewesen, erst am Vortag war das Wetter umgeschlagen. Aber es machte mir nicht viel aus. Ich dachte an kaum etwas anderes als an den Augenblick, in dem ich endlich die süße, cremige Masse genießen durfte. Die anderen Kinder in der Schule brachten mir, zu Ehren meines Geburtstags, ein Ständchen, und ich muss selig dreingeschaut haben, denn der Lehrer machte eine entsprechende Bemerkung. »Schön, dass wir dir mit dem Lied eine solche Freude gemacht haben«, sagte er – oder etwas in der Art. Herr Friedrich hieß er, und er hat sich schon damals nicht durch besondere Menschenkenntnis ausgezeichnet. Denn das Lied war mir ziemlich gleichgültig.
    Auch die kleinen Geschenke, die meine Freundinnen mir mitgebracht hatten, vermochten mich nicht so zu begeistern wie die Aussicht auf den Milchreis. Von Anna bekam ich ein geflochtenes Lederarmband, wie sie selber eines besaß. Ich wusste, dass sie es mir nur schenkte, damit ich es trug und sie damit als meine beste Freundin auszeichnete. Aber meine beste Freundin war Lore. Sie schenkte mir einen Kreisel, der sehr schön war und den ihr Vater geschnitzt haben musste. Ich freute mich darüber, aber nicht so sehr, wie sie es erwartet hatte. »Oh, der ist aber hübsch!«, rief ich aus, doch irgendwie sah Lore enttäuscht aus. In der großen Pause schnappte mir mein Bruder Matthias den Kreisel weg. Erst als er es geschafft hatte, das Spielzeug weitgehend zu zerstören, erhielt ich es zurück. Lore weinte, ich nicht. Ich war Schlimmeres gewohnt.
    Ich hatte acht Geschwister, alle älter als ich. Vier davon gingen mit mir zusammen zur Volksschule, nämlich meine Brüder Matthias, Johannes und Lukas sowie meine Schwester Hildegard. Von den anderen vier waren zwei verheiratet und hatten ihre eigene Familie. Mein Vater hätte sie von seiner Arbeit im Schieferbruch eh kaum satt bekommen, und unser kleines bisschen Land gab schon nicht genügend für uns andere her. Am wenigsten für mich. Es ist schrecklich, wenn man von elf Personen, die in einem Haushalt leben – außer meinen Eltern und ledigen Geschwistern wohnten auch Tante Mechthild und Großvater Franz bei uns –, die jüngste ist. Man hat keine Rechte. Man ist, nicht nur beim Essen, immer die letzte in der Reihe. Man muss immerzu tun, was die anderen sagen. Man muss den Eltern folgen, zugleich aber darauf achten, dass man es sich mit den Geschwistern nicht verscherzt. Einmal habe ich, und wirklich nur aus Versehen, Hildegard verpetzt, woraufhin sie mich wochenlang auf dem Fußboden unserer Kammer schlafen ließ. Niemand bekam etwas davon mit. Erst als ich fast an einer Lungenentzündung gestorben wäre, erlaubte sie mir, im Bett zu schlafen. Ich habe nie wieder eine Silbe über ihre lächerliche Leidenschaft für den Knecht der Kelbels verloren.
    Aber mit Hildegard kam ich, trotz des Altersunterschieds von sechs Jahren, immer noch besser zurecht als mit Matthias, der nur ein Jahr älter ist als ich. Er hat mich drangsaliert und schikaniert, wo er nur konnte. Er hat Lügengeschichten

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