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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war in bester Stimmung. Er hatte deutsches Bier entdeckt. Jetzt, eine Stunde vor Abfahrt, saß er auf seinem Koffer und öffnete eine Bierbüchse nach der anderen.
    Harald Freitag war bedrückt. Für ihn war diese Reise eine große Enttäuschung gewesen. Er hatte zwar einen Krieg kennengelernt, was er nie vorhatte, er wußte nun, wie alte Landser reagieren, wenn sie einen russischen T 34 sehen, er kannte sich aus in der Strategie, die Rommel anstelle Dayans angewandt hätte, nur hatte Dayan in hundert Stunden den Krieg gewonnen, während Deutschland seinen Krieg in sechs Jahren verloren hatte, und er wußte, wie man Fähnchen schwenkt und Begeisterung macht. Er hatte Pulver gerochen und Leichen gesehen, die in der Hitze aufquollen, er hatte an zerfetzten Panzern gestanden und war auf einem Hausdach beschossen worden, er war – um mit Müller XII zu sprechen – ›ein Mann‹ geworden.
    Aber die Dinge, derentwillen er nach Israel gekommen war, hatte er nicht gesehen: den Negev, die Säulen Salomons, die Ruinen von Subeita, den Brunnen Abrahams, das Tote Meer, die Korallenbänke bei Eilat, die Kibbuzim an den Grenzen, den Weg, den die Juden vor sechstausend Jahren gezogen waren, durch die Sinai-Wüste nach Norden zum Gelobten Land …
    Er wußte in dieser Stunde des Abschieds, daß er wiederkommen würde. Und er wußte auch, daß es dann ganz anders sein würde. Nicht mit einem Bus auf einer Tour der Andenkensammlung, sondern allein, mit einem Koffer und einem Rucksack, einem Zelt und viel Liebe zu diesem Land, das so tapfer und freundlich war, so uralt und so berückend jung, so grausam und so schön, so vergänglich und doch so ewig. Ein Land, das Gott lieben mußte. Er verstand es jetzt. Und er verstand auch zum erstenmal die Bibel nicht mit dem Hirn, sondern auch mit dem Herzen.
    Es war Mittag, als der Bus nach Tel Aviv Jerusalem verließ. Die Hotelleitung des King-David-Hotels war froh, daß dieser Besuch beendet war, er hatte Aufregung genug gebracht. Nur das Zimmermädchen Yeila weinte heimlich und drückte ein Andenken an ihre Brust. Sie trauerte – wer hätte das gedacht? – dem Studienrat Dr. Vollmann nach, der anscheinend nicht nur geschichtliche Studien betrieben hatte. Das Andenken für Yeila war ein abgegriffenes Buch: ›Die Situation der Pädagogik in Quinta und Quarta‹. Auf der Innenseite war ein Stempel der Schulbibliothek.
    Was tat es zur Sache, daß Yeila kein Wort in diesem geistreichen Buch verstand? Es war ein Andenken an Louis.
    Die Fahrt über die heiße Straße nach Tel Aviv verlief reibungslos, bis der Bus durch eine öde Gegend zwischen Kefa Shemuel und Ramla fuhr, wo die heiße Luft flimmernd über der Straße hing.
    Hier pfiffen plötzlich aus einem Hinterhalt Kugeln um den Bus, schlugen in das Blech, trafen die Benzinleitung und zersplitterten die Scheiben. Woher die Schüsse kamen, war nicht festzustellen, sie zwitscherten von allen Seiten und trafen bei der zweiten Salve auch die Reifen. Der Bus sank ächzend auf die Felgen.
    Schwester Edwiga und Schwester Angela hatten sich hinter die Sitze geduckt. Die beiden Studienräte lagen auf dem Boden des Fahrzeugs und hatten ihre Koffer über die Köpfe gelegt.
    Der Fahrer des Busses hing verwundet hinter seinem Steuer. Er hatte noch gebremst, ehe ihn die Kugel traf. Der Bus war quer über die Straße gerutscht, aber er war nicht umgestürzt. Johann Drummser, Theobald Kurzleb und Harald Freitag hockten ebenfalls hinter den Polstersitzen, während die Sozialfürsorgerin aus Hameln sitzen geblieben war und laut schrie. Sie hatte den Kopf in den Nacken geworfen, und ihre Brille tanzte auf der Nase.
    Der Feuerüberfall war nur kurz. Als der Bus zerstört war, hörte das Schießen auf. Drummser wagte einen Blick nach draußen … es war nichts zu sehen als Hitze, flimmernde Luft, blendender Sand, weiter hinten eine bewässerte Farm mit Orangenhainen und Olivenbäumen.
    Auch Freitag hob den Kopf. Die Studienräte verharrten in vorschriftsmäßiger Selbstschutzhaltung.
    »Was war denn das?« fragte Freitag bleich und verwirrt.
    »Ein Feuerüberfall, Junge.« Drummser riß eine Büchse Bier auf. Dabei zeigte sich, daß sein Koffer voller Bierdosen war … Was vorher in dem Koffer gewesen war, Unterwäsche, Strümpfe, Schuhe, Hemden, zwei Anzüge, hatte er im Hotel gelassen. Bier war wichtiger.
    »Hier? Mitten im Land? Im Frieden?«
    »In Rußland haben sie uns in den Hintern geschossen, wenn wir weit hinter der Front auf der Latrine

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