Das Mädchen Ariela
mir und wohnt bei mir.«
Narriman schwieg. Ihr Blick glitt zu Ariela. Sie saß auf dem Diwan und sah sehr glücklich aus. Wie ich dich hasse, dachte Narriman. Dein Gesicht möchte ich zerkratzen, dir die kupfernen Haare aus dem Schädel reißen. Ich möchte dir die Beine brechen und das Lächeln von deinen Lippen wegbrennen. Oh, was könnte ich alles mit dir tun, und ich würde singen dabei und deine Schreie übertönen!
»Angenommen!« sagte Narriman heiser. »Noch etwas?«
»Nein. Doch ja. Werde ich bezahlt?«
»Sie bekommen das Gehalt eines Generals. Zufrieden?«
»Fürs erste.«
»Dann können wir fahren?«
»Der Wagen steht bereit.«
Narriman wandte sich brüsk ab und verließ den Raum. Ariela sprang auf und rannte zu Dr. Schumann. Mit einem Aufschrei schlang sie die Arme um ihn. »Du willst mein Volk verraten?« rief sie. »Du willst es vernichten?«
»Ich will Zeit gewinnen.« Er drückte sie an sich, und als er tief ausatmete, verließ ihn auch die große Angst um Ariela. »Vor allem aber will ich so schnell wie möglich fort aus diesem Haus …«
Im Osten zog ein fahler Streifen über die Wüste, als sie Amman wieder erreichten. Ariela fror und war nahe an Schumann herangekrochen. Als das erste Tageslicht zu sehen war, schien es wärmer zu werden und der Sand staubte mehr. In diesem Zwielicht war die Öde beklemmend, eine fahle Mondlandschaft, von Millionen Winden zerstört.
Narriman wandte sich um.
»Woran denken Sie, Doktor?« fragte sie.
»Warum es Menschen gibt wie Sie!«
»Das habe ich Ihnen gesagt.«
»Ich werde es nie verstehen!«
»Schläft Ariela?«
»Nein!«
»Warum ist sie so still?«
»Sie hat Angst um ihr Volk.«
»Die darf sie auch haben!« Narriman stieß Mahmud, der den Wagen fuhr, in die Seite. Mit knirschenden Bremsen hielt er. Vor ihnen lag der Dschebel El Luweibida. Die erste, fahle Morgensonne strich über ihn hinweg. »Ihr Haus!« sagte Narriman.
Neben Schumann richtete sich Ariela auf. »Ich verfluche es!« rief sie laut. »Gott möge Feuer darauf niedergehen lassen!«
»Da haben Sie es, Doktor.« Narriman zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. »Sie sollten kein alttestamentarisches Mädchen lieben … sie haben immer eine Bibelstelle, die paßt.«
Mahmud lachte laut, und sie fuhren weiter.
Drei Tage hatte Moshe Rishon zu tun, um neue Gefangene und in der Wüste aufgegriffene Verdurstende zu verhören, ehe er sich wieder um Ariela kümmern konnte. Er hatte zwar ein paarmal bei ihr angerufen, aber nie traf er sie an. Die Verhöre waren langwierig und wurden Tag und Nacht geführt. Drei Schichten lösten sich ab. Die Offiziere des israelischen Geheimdienstes und des Generalstabs kamen kaum zum Schlafen und bewunderten die Zähigkeit der drei ägyptischen Majore, die Stunde um Stunde im Hagel der Fragen aushielten, schwiegen oder nichtssagende Antworten geben.
Selbst General Dayan erschien einmal und besichtigte die Dokumente, die man bei den drei Majoren gefunden hatte. Es waren die Aufmarschpläne der ägyptischen Divisionen, Tagesbefehle, Karten mit eingezeichneten Angriffsrichtungen und vor allem hinter einigen Truppenteilen geheimnisvolle Daten. Die große Frage, die zu klären war, erkannte jeder der israelischen Offiziere: Waren es die Daten, an denen Nassers Truppen in den Stellungen sein mußten, oder waren es die genauen Zeiten des Angriffs auf Israel?
»Das ist eine wichtige Sache, meine Herren«, sagte Dayan. »Können wir beweisen, daß diese Zahlen Angriffsdaten sind, dann können wir der Welt, die uns jetzt verdammen will, entgegenhalten, daß wir eine Flut gebrochen haben, bevor sie unsere Deiche zerstörte. Und das ist unser Recht, das uns niemand nehmen kann! Major Rishon, ich wünsche Ihnen Glück!«
Es war klar, daß Moshe Rishon drei Tage nicht aus den Kleidern kam. Er schlief nur stundenweise und saß dann wieder vor den drei ägyptischen Majoren, die auf ihren Stühlen hingen und mit leeren, tiefliegenden Augen in die Gegend stierten.
Dann aber war es endlich soweit. In der Nacht zum vierten Tag brach der Major Abdullah ibn Kemal zusammen und kroch, irr stammelnd und mit der Stirn auf den Steinboden seiner Zelle schlagend, im Raum herum. Man gab dem ägyptischen Offizier heißen, süßen Tee, Matzen mit Weichkäse und vier Orangen, die er mit der Schale hinunterwürgte.
»Es sind die Angriffsdaten, Herr General«, konnte Rishon wenig später Dayan telefonisch berichten. »Das Protokoll der Vernehmung wird gerade
Weitere Kostenlose Bücher