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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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saßen!«
    Sie standen noch keine zehn Minuten, in denen Theobald Kurzleb für den verwundeten Fahrer aus dem Sanitätskasten des Busses blutstillende Watte holte, als eine Militärpatrouille von zwei Jeeps in einer Staubwolke heranbrauste. Die Soldaten und der junge Offizier fragten nicht lange. Sie sahen auf den zerschossenen Bus, in die bleichen Gesichter der Deutschen, die hinter den Scheiben auftauchten, wendeten die Wagen und jagten, umweht von hohen Staubwolken, quer über das Land.
    Nach einer halben Stunde kamen sie wieder. Über die Kühler gefesselt, mit verbundenen Augen, lagen sechs Araber. Man schnallte sie los, stellte sie auf die Beine, und der junge Offizier trat an den Bus heran und grüßte.
    »Wir haben die Heckenschützen«, sagte er in einem singenden Deutsch. »Sie wollten sich in einer Erdhöhle verbergen. Ich bitte Sie im Namen meiner Regierung um Verzeihung, meine Damen und Herren, daß Ihnen so etwas widerfahren ist. Aber der Krieg …«
    Er lächelte bedauernd und hob die Schultern. »Im nächsten Jahr ist es besser.«
    Er wandte sich ab und trat an die Jeeps zurück. Die sechs Araber, dürre, von der Hitze ausgelaugte Burschen, barfuß und in Fetzen gekleidet, standen mit verbundenen Augen im Sand, neben der Straße, die Hände auf dem Rücken, die Köpfe hoch erhoben – so standen sie da.
    »Was nun?« fragte Freitag und faßte Drummser an. Er hatte eine schreckliche Ahnung.
    »Sehen Sie weg!« sagte Drummser heiser. »I kenn dös. In Rußland, bei den Partisanen … Krieg is eben a Sauerei …«
    Die beiden Studienräte starrten auf die sechs Araber und die israelischen Soldaten, die ihre Schnellfeuergewehre entsicherten. Schwester Edwiga und Schwester Angela wandten sich ab und schlossen die Augen. Dann fielen sie auf die Knie, falteten die Hände und beteten laut das Ave Maria. Die Sozialfürsorgerin schluchzte noch immer und wußte nicht, was um sie herum vorging.
    »Das geht doch nicht«, stammelte Freitag. »Das ist doch grausam. Das … das … o nein! Nein!« Er schlug beide Hände vor die Augen, als die Israelis die Gewehre anlegten.
    »Sie wollten auch uns erschießen«, sagte Drummser und mußte wieder Bier trinken. Seine Kehle war wie ausgedörrt. Die Erinnerung an Boschowo tauchte auf. Der Wald. Die gefangenen Partisanen. Neununddreißig. Darunter sechs Frauen. Junge, hübsche Frauen. Sie hatten um ihr Leben gebettelt. Und dann standen sie zwischen den finster blickenden Männern und hatten den gleichen stolzen Blick und die gleiche aufrechte Haltung: Leb wohl, Mütterchen Rußland!
    In ein Massengrab waren sie dann verscharrt worden, und der Bataillonschef hatte zu den Landsern gesagt:
    »Das ist grausam, Leute, ich weiß. Aber sie haben neun von uns aus dem Hinterhalt erschossen! Für Partisanen gilt kein Kriegsrecht. Wer aus dem Hinterhalt schießt, darf keine Gnade erwarten …«
    Drummser starrte auf die sechs zerlumpten Araber. Auch sie standen stolz da, vielleicht dachten sie an Allah oder an das Land, das nach ihrer Ansicht ihnen allein gehörte. Vielleicht dachten sie daran, daß sie nachher ein Essen bekommen würden, einen Schluck Wasser, ein Zelt in einem Gefangenenlager. Vielleicht dachten sie auch gar nichts.
    Der junge Offizier hob die Hand.
    »O Gott«, stammelte Freitag. »O Gott! Ich habe noch nie gesehen, wie ein Mensch erschossen wird …«
    »Es ist ganz einfach«, sagte Drummser heiser. »Er fällt um. Er sagt keinen Laut.«
    Schüsse ratterten. Die sechs Araber fielen übereinander, rollten in den Staub, zuckten noch ein paarmal mit Armen und Beinen und lagen dann still. Ein Häuflein Mensch mit zwölf Armen und Beinen. Eine Riesenspinne mit aufgebrochenem Leib.
    Der junge Offizier kam zurück zu dem Omnibus und grüßte wieder.
    »Bitte, steigen Sie um in meine Jeeps«, sagte er höflich. »Meine Leute werden hierbleiben, bis der Bus weggeräumt ist. Wir bringen Sie sicher nach Tel Aviv.« Er sah die entsetzten Augen Freitags und hob die Schultern. Sie waren gleichaltrig, die beiden jungen Männer, und doch trennte sie so viel. »Der Krieg«, sagte der junge Offizier. »Er wird nie zu Ende sein, solange es Fanatiker gibt. Uns bleibt keine andere Wahl.« Er sah in den Bus und auf die noch immer knienden und betenden Schwestern. »Bitte, Ihre Koffer«, sagte er laut. »Sie werden in einer halben Stunde in Tel Aviv sein.«
    Mit steifen Beinen stieg Freitag aus dem zerstörten Bus.
    Über der Straße kreisten bereits zwei Geier.
    Es war erstaunlich, wie

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