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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschrieben.«
    »Danke, Moshe.« Die Stimme Dayans klang wie immer freundlich, doch mit einem Unterton von Strenge. »Es war ein Verhör ohne Druck, nicht wahr?«
    »Es hielt sich völlig in humanitären Grenzen, Herr General«, sagte Rishon. »Major ibn Kemal erhält zur Zeit ein Essen aus der Offiziersküche.«
    »Sind Sie müde?« fragte Dayan.
    »Ziemlich, Herr General.«
    »Dann nehmen Sie zwei Tage Urlaub, Moshe.«
    Die Stimme Dayans wurde familiärer, weicher. »Übrigens, stimmt es, ich hörte da etwas munkeln: Sie wollen sich mit der Tochter Golans verloben?«
    Rishon schluckte. Sein Hals war plötzlich wie eingerostet.
    »Vielleicht, Herr General«, sagte er gedehnt.
    »Nutzen Sie die zwei Tage, Moshe. Viel Glück!«
    »Danke, Herr General.«
    Major Rishon schlief sechs Stunden, dann zog er seine Ausgehuniform an, lieh sich einen Jeep von der Fahrbereitschaft und fuhr zur Wohnung Golans.
    Vor den Fenster waren die Rolläden heruntergelassen. Rishon klingelte und klopfte ein paarmal, dann fuhr er zum Hospital, wo Ariela sich ambulant behandeln ließ, und erfuhr dort, daß sie seit zwei Tagen nicht zum Nachsehen der Schulterwunde gekommen war.
    Rishon wurde unruhig. Er raste zurück zur Wohnung Golans, und diesmal hatte er Glück. Das Mädchen, das jeden Tag putzte, hatte die Fenster geöffnet und lüftete die Wohnung.
    »Guten Morgen, Major!« sagte sie. Es war ein junges Mädchen, kaum fünfzehn Jahre alt, und ein Offizier der Armee war ein Held für sie.
    Rishon rannte durch alle Zimmer und sah sich um. Alles war aufgeräumt und sauber, eine Wohnung, die nicht bewohnt wurde.
    »Wann haben Sie Ariela zum letztenmal gesehen?« fragte er das Mädchen, das im Wohnzimmer mit dem Staubwischen begonnen hatte.
    »Oh, das kann vier Tage her sein, Major.«
    »Und sie ist nicht wieder hier gewesen?«
    »Ich weiß es nicht. Wenn ich morgens kam, war das Bett unberührt, und es sah so aus –«
    »Und das ist Ihnen nicht aufgefallen?« schrie Rishon in höchster Erregung. »Das haben Sie nicht sofort der Polizei oder der Kommandantur gemeldet?«
    »Aber warum denn?« Das Mädchen verzog den Mund. Daß sie immer so brüllen müssen, wenn sie eine Uniform anhaben! »Ariela ist Leutnant. Weiß ich, welchen Auftrag sie hat?«
    Rishon wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das ist Angst, dachte er. Wirklich, das ist Angst. Und Enttäuschung und ein verwundetes Herz. Ariela ist weg, sie hat die Suche nach dem deutschen Arzt noch nicht aufgegeben. Viel Glück, hat Dayan gesagt. Nutzen Sie die zwei Tage. Und sie ist weggelaufen …
    Rishon ging in das Schlafzimmer Arielas. Er beugte sich über den kleinen Schreibtisch, der nahe am Fenster stand. Eine lederne Schreibmappe lag darauf, und Rishon klappte sie auf, denn in solchen Situationen gibt es keine persönlichen Geheimnisse mehr.
    »Aha!« sagte Rishon. Das Mädchen im Nebenzimmer fuhr zusammen und blickte hinein.
    Auf ein Blatt, eingeklemmt in die ledernen Halteecken für das Briefpapier, hatte Ariela ein paar Zeilen geschrieben. Sie hatte es während des Umziehens getan, als Ruth Aaron auf sie wartete.
    »Ich habe Peter gefunden«, stand da. »Ich fahre zu ihm. Er ist verwundet. Endlich, endlich weiß ich, wo er ist …«
    Rishon riß das Papier aus der Mappe und steckte es ein. Sein Gesicht war plötzlich starr vor Schrecken.
    »Wann haben Sie Ariela zuletzt gesehen?« fragte er das Mädchen noch einmal.
    »Vor vier Tagen …«
    »Sie irren sich nicht?«
    »Aber nein. Ich komme doch jeden Morgen hierher.«
    Major Rishon wandte sich ab und rannte aus der Wohnung. Auf der Straße sprang er in seinen Jeep und raste gegen alle Vorschriften durch Jerusalem zum Hauptquartier der Armee. Dayan war schon wieder unterwegs, er wollte den Gazastreifen besichtigen. Aber General Joseph Yona war da und trank gerade Kaffee.
    »Moshe, was haben Sie?« sagte er gemütlich. »Sie sehen aus, als hätten Sie Nasser gefangen …«
    »Ariela ist verschwunden!« Rishon riß sich die Mütze vom Kopf. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht. »Die Tochter Golans. Seit vier Tagen.«
    »Das ist doch Blödsinn.« General Yona lächelte breit. »Sie wird einen Liebhaber haben, Moshe, und Sie kommen nun zu spät.«
    »Sie hat einen!« schrie Rishon und warf die Mütze auf die Erde. »Einen Deutschen! Und dieser Deutsche ist jetzt auf ägyptischer Seite. Ich habe darüber Vernehmungsprotokolle …«
    »Das wäre allerdings ein Skandal!« General Yona schob die Kaffeetasse weg. Sein Lächeln gefror.

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