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Das Mädchen auf den Klippen (German Edition)

Das Mädchen auf den Klippen (German Edition)

Titel: Das Mädchen auf den Klippen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Alexander
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abholen wollen. Er hatte sie nie wiedergesehen, genauso wie sie Edward und David niemals wiedersehen würde.
    „Es ist entsetzlich, wenn man allein zurückbleibt“, meinte sie und drückte den Bären noch etwas fester an sich. Sie war froh, dass sie Pu hatte. Manchmal erschien es ihr, als sei dadurch etwas von Davids Wesen bei ihr geblieben.
    „Ja, das ist auch“, bestätigte der Arzt. „Dennoch geht das Leben weiter. Man darf sich nicht aufgeben.“
    „Wenn ich die Augen schließe, höre ich oft meinen Mann und meinen Sohn genau dieselben n“, gestand sie. „Es ist unendlich schwer, ohne sie zu leben. Wenn ...“ Aufschluchzend verbarg sie ihr Gesicht in den Hä nden.
    Walter Thornberry nahm sie in den Arm. Sie verbarg ihr Gesicht an seiner Schulter. „Weinen Sie ruhig“, meinte er. „Manchmal hilft es.“ Sanft strich er ihr durch die Ha are.
    Es tat Janice gut, sich an seiner Schulter auszuweinen. Nach einer Weile schaute sie auf und griff nach dem Taschentuch, das er ihr reichte. „Danke“, flüsterte sie. „Es tut mir leid, dass ich Sie gestört habe. Ich glaube nicht, dass es zu den Pflichten eines Arztes gehört, während seines Bereitschaftsdienstes Tr änen zu trocknen.“
    „Ich bin froh, wenn ich Ihnen helfen kann“, antwortete er und nahm sich einen Stuhl, um sich zu ihr ans Bett zu setzen. Seine Müdigkeit war verflogen. Er hätte jetzt ohnehin nicht einschlafen können, selbst, wenn ihn nicht die Gedanken an seine Frau und seine Kinder gequält hätten. „Was werden Sie tun, wenn Sie in zwei Monaten aus der Klinik entlassen werden?“ Er legte leicht eine Hand auf ihre Beine. „Sie haben große Fortschritte gemacht. Ich bin mir ganz sicher, dass Sie in einigen Wochen wieder völlig normal laufen können.“
    Janice schaute auf ihre Beine. „Das möchte ich auch“, erwiderte sie. „Ich weiß nicht, warum mir das nach dem Tod meines Mannes und meines Sohnes noch so wichtig ist, aber ich hasse den Rollstuhl.“
    „Und so sollte es auch sein“, meinte er herzlich. „Natürlich ist es wichtig, dass Sie richtig laufen können. Wie gesagt, Sie dürfen sich nicht aufgeben.“
    „Meine Schwiegereltern haben mir angeboten, für ständig zu ihnen zu ziehen, wenn ich aus der Klinik entlassen werde“, sagte Janice. „Ich möchte es nicht, obwohl sie alles versuchen würden, um mir den Himmel auf Erden zu bereiten. Vermutlich ist es das sogar, was mich davon abhält, ihr Angebot anzunehmen. Die nächsten Monate möchte ich allein sein. Ich sagte ja schon, dass mein Mann und ich geplant hatten, ein Haus in Cornwall zu kaufen. Ich werde das wahrscheinlich tun und auch wieder zu malen anfangen.“ Sie strich sich mit beiden Händen durch die Haare. „Mein Sohn lebt nicht mehr, trotzdem werde ich ein Zimmer in diesem Haus mit Szenen aus seinem Lieblingsbuch bemalen, so wie er es sich gewünscht hat.“ Sie verzog das Gesicht. „Verrückt nicht wahr?“
    „Nein, nicht verrückt“, widersprach Dr. Thornberry. „Nach dem Tod meiner Töchter, habe ich weiter an der Puppenstube gearbeitet, die sie sich so gewünscht hatten. Ich habe Zimmer für Zimmer eingerichtet und mir dabei vorgestellt, wie sehr sie sich darüber gefreut hä tten.“
    Janice drückte seine Hand. Sie war froh, dass es einen Menschen gab, der sie verstand.
    „Haben Ihre Schwiegereltern noch weitere Kinder?“
    Janice nickte. „Gott sei Dank, haben sie noch einen Sohn“, antwortete sie. „Andrew arbeitet an der englischen Botschaft in Paris. Er wird mit seiner Familie im Herbst nach England zurückkehren. Wenn das nicht wäre, könnte ich nicht nach Cornwall ziehen, so ndern müsste bei Ihnen bleiben und mich um sie kümmern.“
    „Seien Sie dankbar, dass Sie ein so gutes Verhältnis zu ihren Schwiegereltern haben.“ Dr. Thornberry schaute auf seine Hände hinunter. „Bettys Eltern geben mir die Schuld am Tod meiner Familie. Ich hatte an jenem Tag Dienst, sonst hätte ich meine Frau begleitet und unseren Wagen selbst gefahren. Sie machen es mir zum Vo rwurf.“
    „So etwas ist doch Unsinn“, meinte Janice b estürzt.
    „Das sagen Sie und das sage ich.“ Der junge Arzt hob die Schultern. „Mein Verhältnis zu ihnen ist noch nie besonders herzlich gewesen“, bekannte er resignierend und stand auf. „Jetzt sollte ich besser gehen. So müde, wie Sie im Moment aussehen, werden Sie keine Schwierigkeiten haben, einz uschlafen.“
    Janice legte sich zurück und schloss die Augen. Zärtlich drückte sie Pu an sich.

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