Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff
Haus zu verdoppeln, nehme ich es an.«
Mr. Chellis zuckte nicht einmal mit der Wimper. Wie Mary vermutet hatte, entsprach ihr Vorgehen den Erwartungen der Langdons.
»Natürlich werde ich Lord und Lady Langdon fragen müssen, aber ich denke, ein Betrag dieser Höhe dürfte für sie akzeptabel sein. Selbstverständlich müssten Sie ein juristisches Dokument unterzeichnen, in dem Sie auf alle Ansprüche aus dem Testament Ihres Mannes verzichten. Sowie auf sämtliche Ansprüche, die Sophia in der Zukunft gegenüber den Langdons erheben könnte.«
»Das ist mir klar.« Mary stand auf. »Ich warte auf Ihre Antwort. Auf Wiedersehen, Mr. Chellis.«
Zwei Monate später stand Mary im Eingangsbereich ihres Hauses und sah sich ein letztes Mal um. Der Wagen würde jeden Augenblick eintreffen; die beiden großen Koffer mit ihren eigenen und den Kleidern ihrer Tochter sowie ein dritter mit Erinnerungsstücken würden ihnen folgen. Mary setzte sich erschöpft auf die unterste Stufe und tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie ohnehin nicht in dem Haus geblieben wäre, weil alles darin sie an das erinnerte, was sie verloren hatte.
Als Sophia die Treppe herunterkam, streckte sie ihrer Tochter die Arme entgegen. »Fertig?«
Sophia nickte. »Ich habe Angst, Mutter.«
»Es ist das Beste so, Liebes. Ich weiß, wie es im Krieg in London zugeht, und diesmal sollen die Bombardements noch schlimmer werden.«
»Ja, aber …«
Es klopfte. »Der Wagen ist da.« Mary nahm lächelnd Sophias Hand. Sie gingen gemeinsam zur Haustür, wo sie sich stumm von ihrem alten Leben verabschiedeten.
Aurora
Ist Marys und Jeremys Geschichte nicht traurig? Am Ende konnte nicht einmal die Liebe sie retten. Wenn Jeremy den Umschlag von der Pensionskasse nur aufgemacht hätte!
Aber wenn Jeremy ihn geöffnet hätte, wäre meine Geschichte vollkommen anders verlaufen und vielleicht gar nicht wert, aufgeschrieben zu werden. Ich beginne zu begreifen, wie Schmerz Stärke und Weisheit verleihen kann – mich hat er jedenfalls verändert –, und dass er genauso sehr zum Leben gehört wie Glück und Zufriedenheit. Alles besitzt eine natürliche Balance. Wie sollte man wissen, dass man glücklich ist, wenn man nicht manchmal traurig wäre? Und wie sollte man sich gesund fühlen, wenn man nicht hin und wieder krank wäre?
In letzter Zeit habe ich viel über die Zeit nachgedacht. Mary und Jeremy war nur eine kurze gemeinsame Zeit des Glücks vergönnt. Vielleicht sind solche Momente das Einzige, worauf wir hoffen dürfen. Wie im Märchen muss Schlimmes genauso passieren wie Gutes. Wir leben von der Hoffnung, dass die guten Augenblicke wiederkehren. Wenn sie verschwindet wie bei Jeremy, bleibt nichts mehr.
Ich bemühe mich gerade, an der meinen festzuhalten, denn mir bleibt nicht mehr viel.
Aber wo Leben ist …
Genug von mir. Ich wende mich wieder der Zeit zu, in der Grania sich von Kathleen die Geschichte ihrer Urgroßmutter hat erzählen lassen. Und in der ich zum ersten Mal das Farmhaus der Ryans betrete …
23
Dunworley, West Cork, Irland
»Marys neues Leben spielte sich in Irland ab, stimmt’s?«, fragte Grania, die am Küchentisch ihres Elternhauses saß, die Hände um eine Tasse Tee gewölbt.
»Ja. Mary ist mit Sophia hergekommen und hat sich ein hübsches Cottage in Clonakilty gekauft.«
»Und nie mehr geheiratet?«
Kathleen schüttelte den Kopf. »Nach allem, was ich von meiner Mutter weiß, hat Mary in London genug Schmerz für ein ganzes Leben durchlitten.«
»Die Verbindung zu den Ryans blieb bestehen?«
»Ja, und am Ende heiratete Marys Tochter Sophia Seamus Doonan, den Sohn von Seans jüngerer Schwester Colleen. Das waren meine Eltern.«
»Na so was! Dann waren Bridget und Michael Ryan also deine Urgroßeltern? Und Sean dein Großonkel?«
»Ja. Colleen zog, als sie meinen Großvater Owen heiratete, in das ursprünglich für Sean und Mary gedachte neue Farmhaus. Sie haben es später ihrem Sohn Seamus und Sophia überlassen. Und als mein Daddy starb, haben dein Vater und ich die Zügel auf der Farm in die Hand genommen«, erklärte Kathleen.
»Das heißt, dass in Sophias Adern englisches Blut floss, noch dazu blaues?«, hakte Grania nach. »Dein Großvater war Jeremy Langdon?«
»Ja. Du bist also keine irische Bäuerin, wie du immer dachtest. Du und Shane, ihr habt adlige Vorfahren. Sophia hätte man das allerdings nicht angemerkt. Meine Mammy war genau wie ihre Mutter Mary: liebenswert, häuslich und ohne Allüren. Anders als ihre
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