Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff
Blick in seine Unterlagen, »… Sophia May. Entspricht das den Tatsachen?«
»Ja.«
»Sie ist gegenwärtig zehn Jahre alt?«
»Ja.«
»Das Problem gestaltet sich folgendermaßen«, erklärte Mr. Chellis, nahm seine Brille ab und wischte sie an seiner Weste ab. »Wenn Sophia heiratet, nimmt sie den Namen ihres Mannes an. Und wenn Sophia sich später scheiden lassen sollte oder sterben würde, wäre es schwierig, das Haus in der Langdon-Familie zu halten. Können Sie mir folgen?«
»Ja, Mr. Chellis. Leider.«
»Sie könnten das Kodizill als Mr. Langdons Witwe und Mutter seiner Tochter anfechten. Das wäre jedoch kostspielig und …«, Mr. Chellis schauderte bei dem Gedanken, »… würdelos. Deshalb möchten Lord und Lady Langdon Ihnen einen Vorschlag unterbreiten. Als Gegenleistung dafür, dass Sie ihnen dieses Haus überlassen, bieten sie Ihnen einen nicht unerheblichen Betrag. Und für den Verzicht auf das persönliche Einkommen Ihres verstorbenen Mannes schlagen sie einen Ausgleich zugunsten Ihrer Tochter Sophia vor.«
»Verstehe. Das heißt, dass Lord und Lady Langdon mich und meine Tochter loswerden wollen wie ihren Sohn?«
»So würde ich das nicht ausdrücken, Mrs. Langdon. Es ist natürlich unschön, dass es zu einer Entfremdung zwischen Lord und Lady Langdon und ihrem Sohn gekommen ist, aber darüber darf ich mir als ihr Anwalt kein Urteil erlauben. Als Gegenleistung für das Haus bieten sie Ihnen einen Betrag von eintausendfünfhundert Pfund. Dazu kämen fünftausend Pfund für Sophia.«
Mary schwieg. Da sie nicht wusste, was das Haus wert war und auf welchen Betrag Jeremys persönliches Einkommen sich belief, konnte sie nicht beurteilen, ob der Vorschlag der Langdons fair war. Außerdem hinterließ das Arrangement bei ihr einen schalen Beigeschmack.
»Ich habe das Angebot schriftlich für Sie formuliert. Meine Adresse und Telefonnummer stehen darüber. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich direkt mit mir in Verbindung setzen würden, sobald Sie zu einer Entscheidung gelangt sind.«
»Wollen Lord und Lady Langdon ihre Enkelin denn nicht sehen?«, fragte Mary. »Schließlich ist Sophia ihr Fleisch und Blut.«
»Ich bin lediglich der Bote, und mir ist nichts davon bekannt, ob sie Sophia kennenlernen möchten.«
»Nein … natürlich nicht.« Mary sah Mr. Chellis an. »Die Tochter eines irischen Kindermädchens ist nicht akzeptabel für den Adel, nicht wahr?«
Mr. Chellis senkte verlegen den Blick und steckte die Unterlagen in seine Aktentasche. »Wie gesagt: Wenn Sie, sobald Sie Ihre Entscheidung gefällt haben, Kontakt mit mir aufnehmen, sorge ich dafür, dass die nötigen Schritte eingeleitet werden.« Er stand auf und nickte ihr zu. »Danke, dass Sie mich empfangen haben. Ich hoffe, dass sich alles zur Zufriedenheit beider Parteien regeln lässt.«
Mary folgte ihm zur Tür. »Auf Wiedersehen, Mr. Chellis, ich melde mich bei Ihnen, wenn ich über Ihr Angebot nachgedacht habe.«
In den folgenden Tagen stellte Mary Nachforschungen über die Familie ihres verstorbenen Mannes an und fand heraus, dass Jeremy der zweite Sohn von Lord und Lady Langdon war, deren Familienanwesen zweihundert Hektar Grund in Surrey, bekannt für die ergiebige Fasanen- und Entenjagd, umfasste. Im Gebäude befand sich eine Sammlung wertvoller Gemälde von Holbein. Mary erkundigte sich außerdem, wie viel das Haus, in dem sie gegenwärtig wohnte, wert war.
Dabei galten Marys Gedanken ausschließlich Sophia. Ein paar Jahre zuvor hätte sie noch jedes Angebot ausgeschlagen, aber inzwischen war sie älter und klüger und hatte mehr Ahnung von der Welt. Egal, wie sehr der erpresserische Vorschlag der Langdons sie auch ärgerte: Sie wusste, dass sie so viel wie möglich herausschlagen musste.
Ihr war auch klar, dass das, was sie für Anna getan hatte, sie an einem gerichtlichen Vorgehen gegen die Langdons hinderte, weil dann zwangsläufig Berichte über das Verfahren in die Presse gelangten. Was, wenn jemand aus der Vergangenheit sie erkannte und die Verbindung zu Anna herstellte?
Mr. Chellis’ Kanzlei befand sich in der Chancery Lane. Mary meldete sich bei seiner Sekretärin an und wartete nervös.
»Mrs. Langdon.« Mr. Chellis empfing sie an der Tür zu seinem Büro. »Kommen Sie doch herein und nehmen Sie Platz.«
»Danke.« Mary folgte ihm und setzte sich auf die Kante eines unbequemen Ledersessels. »Ich habe über Ihr Angebot nachgedacht, Mr. Chellis«, begann sie. »Wenn Sie bereit sind, den Betrag für mein
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