Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
gefickt?«, fragte der Mann, der sich mit dem Ruder aufrecht hielt.
»Nein, die haben ihn selbst von hinten genommen!«, rief die Frau und löste damit großes Gelächter aus, auch bei den vorbeieilenden Passanten.
»Bereue, elende Sünderin!«, ereiferte sich Zolfo.
»Halt’s Maul, du Zwerg!«
Zolfo schnaubte empört und setzte eine grimmige Miene auf.
»Kleiner, pass auf, sonst platzt du noch«, zog ihn die Frau auf.
Die Trunkenbolde um sie herum lachten.
»Die bringen sich noch in ernste Schwierigkeiten«, bemerkte Benedetta und wollte hinübergehen.
Mercurio hielt sie zurück. »Warte.«
»Eva! Gib dich nicht der Sünde hin! Nimm den Apfel nicht, den dir die Schlange reicht!«, schrie Bruder Amadeo der betrunkenen Frau zu, und seine Augen waren schmal wie Schlitze.
»Hm, Eva, war die nicht auch Jüdin?«, stichelte die Frau lachend.
Bruder Amadeo hob empört das Kreuz. »Vade retro!«
»Aber ja doch! Und Moses auch«, sagte einer der betrunkenen Männer.
»Und König David«, fügte ein anderer hinzu.
»Und Johannes der Täufer«, ergänzte ein Dritter.
»Wenn wir weitersuchen, stellt sich bestimmt noch heraus, dass auch der Mönch hier einer ist!«, schrie der große, dicke Mann, der sich auf das Ruder stützte. Die fröhliche Zecherrunde brach in lautes Gelächter aus.
Bruder Amadeo fiel dramatisch auf die Knie. »Vater, der du bist im Himmel, und Vater auf Erden, Heiligster Papst Leo der Zehnte dei Medici, schicke Vergebung über diese Sünder …«
»Bruder, hast du jemals darüber nachgedacht, dass auch der erste Papst ein Jude war?«, rief in einem hellen Moment die Frau, die es besonders auf ihn abgesehen hatte. »Also der Petrus, der Gründer der Heiligen Kirche, war doch jüdischer als jeder andere, der heutzutage durch die Straßen Venedigs läuft!«
»Abschaum!«, schrie Bruder Amadeo und stand wieder auf.
»Abschaum!«, wiederholte Zolfo.
Die Frau kniete nieder, packte eine Hand voll Dreck und schleuderte sie Zolfo mitten ins Gesicht.
»Ich wusste es«, murmelte Benedetta.
»Dieser Mönch ist ein unglaublicher Dummkopf«, stöhnte Mercurio.
»Wir müssen Zolfo helfen«, sagte Benedetta und setzte sich in Bewegung.
Als Mercurio ihr folgte, bemerkte er links von dem Mönch und Zolfo auf den Stufen der Kirche San Silvestro einen elegant gekleideten jungen Mann. Er trug orange-violette Hosen, einen Überrock mit rot-schwarzen Puffärmeln aus Damast und einen schwarzen Hut mit einer protzigen goldenen Nadel. Um seinen Hals hing eine ebenfalls goldene dicke Gliederkette mit einem mit Edelsteinen besetzten Anhänger, und an der Seite baumelte ein Dolch mit einem Perlmuttgriff. Er war von fünf jungen Männern umgeben, die ebenfalls gut gekleidet waren und grinsend die Predigt verfolgten. Mercurio lief ein Schauder über den Rücken.
»Abschaum!«, wiederholte Bruder Amadeo.
»Wer nennt uns hier Abschaum?«, fragte der Säufer mit dem Ruder. Einen Moment später verzog er sein vom Wein gerötetes Gesicht zu einer grimmigen Grimasse.
»Mönch, geh nach Rom zurück zu deinem Herrn!«, schrie die Frau und schüttelte drohend ihre Faust.
»Du bist hier der Abschaum, du Mönch!«, dröhnte ein anderer der Zechkumpane mit hochrotem Kopf und bückte sich, um einen Stein aufzuheben.
»Zolfo, komm her!«, rief Benedetta, die ihn mittlerweile erreicht hatte.
Zolfo sah sie vollkommen abwesend an, offenkundig löste ihr Anblick keine weiteren Gefühle bei ihm aus.
»Zolfo … Ich bin es doch …«, versuchte es Benedetta weiter, bestürzt über seine offensichtliche Ablehnung. Dann drehte sie sich wütend zu Mercurio um. »Was hat dieser verfluchte Priester mit ihm gemacht?«
Da flog der erste Stein. Dann der zweite.
»Lass uns gehen, Zolfo«, drängte Benedetta und packte ihn am Arm.
»Lass mich los!«, schrie Zolfo, stieß sie weg und stellte sich theatralisch vor den Predigermönch, als wäre er sein Leibwächter. Da traf ihn ein Stein am Bein, und Zolfo stöhnte auf.
»Jetzt beruhigt euch doch!«, versuchte Benedetta die Betrunkenen in Schach zu halten, die sich inzwischen bedrohlich um sie scharten. Dann eilte sie wieder zu Zolfo, packte ihn mit festem Griff und zog ihn von der Treppe weg, wo er ein perfektes Ziel abgab. Zolfo wehrte sich jedoch.
Mercurio versetzte ihm eine Ohrfeige. »Jetzt komm schon mit, du Trottel!«, befahl er. »Hier entlang«, sagte er zu Benedetta und zerrte sie zur Kirche San Silvestro.
Inzwischen war die Gruppe der Säufer richtig wütend geworden und
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