Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
geworden.
»Lügner«, sagte Giuditta lächelnd.
»Dann sag ich eben nichts mehr, wenn du immer alles besser weißt!«
»Jetzt reg dich nicht auf.«
»Wer zum Henker regt sich hier denn auf?«
Giuditta prustete los, aber ihr Lachen klang traurig. »Du und mein Vater, ihr seid wie füreinander geschaffen.«
»Soll das jetzt ein Kompliment sein?«
Giuditta betrachtete ihn schweigend. Dann klopfte sie mit der Hand neben sich auf das Strohlager. »Komm, setz dich, Donnola«, sagte sie leise und schüchtern, wie ein kleines Mädchen. »Nimm mich in den Arm.«
»Was hast du gesagt?«, fragte Donnola bestürzt und wandte sich wieder zur Tür. Doch er rührte sich nicht von der Stelle.
»Bitte.«
Unsicher näherte er sich dem Bett, setzte sich und legte ihr einen Arm um die Schultern. Seine Bewegungen waren steif und unbeholfen und unendlich langsam.
»Umarme mich«, sagte Giuditta.
»Was zum Teufel tue ich denn gerade?«
»Drück mich ganz fest.«
Donnola schluckte schwer. »Wenn jetzt der Doktor hereinkommt …«
»Los, drück mich bitte.«
Donnola zog sie etwas entschlossener an sich heran.
Giuditta schmiegte ihren Kopf an seine Schulter. »Fester.«
»Ich möchte dir doch nicht die Knochen brechen.«
»Halt mich fest!«
Verlegen begann Donnola daraufhin, sie schnell und heftig hin- und herzuwiegen.
»He, so muss ich mich ja gleich übergeben …«, protestierte Giuditta.
Donnola verlangsamte seine Bewegungen.
»Genau so …«, sagte Giuditta. Und ganz langsam rollten ihr die Tränen über die Wangen.
Donnola wiegte sie weiter und hatte nicht die mindeste Ahnung, was er sonst tun konnte oder was er sagen sollte.
»Warst du jemals verliebt?«, fragte Giuditta ihn etwas später.
»Ich? Nein … bestimmt nicht. Nein, nein. Sieh mich doch an, ich bin kein hübscher Kerl. Wer sollte sich wohl in einen wie mich verlieben?«
»Ich habe dich gefragt, ob du jemals verliebt warst.«
»Ach so, na dann …« Donnola juckte es auf einmal überall, als wäre Giudittas Körper voller Brennnesseln. »Ich hab nicht genau verstanden, was du meinst … Ich … na ja, vielleicht … Aber das ist lange her … Ich weiß nicht einmal mehr, wie sie hieß …«
»Donnola …«
»Agnese … Sie hieß Agnese.«
Giuditta schwieg eine Weile, ehe sie ihn schüchtern fragte: »Und tat dir damals auch das Herz so weh?«
»Hör mal, Giuditta … also …« Donnola machte eine kleine Pause, dann sprach er schnell weiter, fast ohne zwischendrin Luft zu holen. »Meinst du nicht, dass du darüber mit dem Doktor reden solltest? Also, er ist schließlich dein Vater … Und auch wenn es vielleicht sinnvoller wäre, darüber mit einer anderen Frau zu reden … Denn ihr Frauen versteht euch ja untereinander viel besser … Na ja, das glaube ich jedenfalls, unter Männern ist es jedenfalls so … Das wusstest du doch, oder? Na ja, also wenn nun mal nur der Vater dafür bleibt … Also, ich meine … Ich weiß wirklich nicht, ob ich der Richtige für so was bin, verstehst du? Ich will dir ja keinen falschen Rat geben oder so und …«
»Ist es immer so schlimm, verliebt zu sein?«, unterbrach ihn Giuditta.
Donnola erwiderte zunächst nichts. Er zog Giuditta enger an sich. Dabei schüttelte er immer wieder den Kopf und unterdrückte einen Schmerz, den er sich nicht eingestehen wollte, den er vor so vielen Jahren tief in sich begraben hatte. »Ja …«, flüsterte er schließlich kaum hörbar.
»Ja …«, wiederholte Giuditta.
30
W arum hast du mich geküsst?«, fragte Mercurio Benedetta.
»Nur so zum Spaß, bild dir bloß nichts darauf ein«, erwiderte Benedetta und beschleunigte ihren Schritt, damit er nicht sah, wie sie rot wurde.
»Warte auf mich!«
»Lass mich bloß in Ruhe«, fuhr Benedetta ihn an und strich sich, ohne dass er es sehen konnte, sanft mit den Fingern über die Lippen. Sie schienen noch von Mercurios Kuss zu brennen. Ihre Mutter hatte sie an einen Priester und andere Lüstlinge verkauft, aber das hier, dachte sie, war ihr erster Kuss. Sie bog in eine enge Gasse ab und lief schnell voraus, bis sie auf einen weiten Platz kamen.
»Sieh mal einer an, wer da ist«, sagte Mercurio, als er sie erreicht hatte. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und zeigte auf eine kleine Menschenansammlung.
»Wer ist denn da?«, fragte Benedetta zerstreut. Sie war immer noch verwirrt von ihren Gefühlen und daher nicht ganz bei der Sache.
Mercurio lachte. »Da ist dieses kleine Arschloch Zolfo mit seinem Mönch!«
»Bereue
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