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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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voller Leidenschaft angesehen. Und er hatte sie geküsst.
    »Fehlt dir etwas?«, hatte Isacco gefragt und sie an einer Schulter gerüttelt, nachdem Giuditta aus dem Schlaf hochgeschreckt und schlagartig wach geworden war.
    »Du hast vor dich hin gestöhnt. Hast du Bauchschmerzen?« Isacco hatte die Kerze entzündet. »Was tust du denn mit dem Kissen?«
    Erst da war Giuditta bewusst geworden, dass sie ihre Lippen darauf presste. »Ach, nichts«, hatte sie ihrem Vater geantwortet und war errötet. Völlig durcheinander von der Intensität dieses Traums hatte sie ihm den Rücken zugewandt. Und während sie vergebens versuchte, wieder einzuschlafen, hatte sie so ein Kribbeln verspürt. Ein völlig neues Gefühl, das sie anzog und gleichzeitig erschreckte. Ihr war wieder durch den Kopf gegangen, dass sie jetzt eine Frau war, ohne dass er davon wusste.
    Als sie nun direkt vor dem Stoffgeschäft von Donnolas Bekanntem Mercurio entdeckte, der wie eine Erscheinung, wie aus heiterem Himmel auf dem Campiello del Gambero aufgetaucht war, tat ihr Herz einen Sprung.
    Ich habe dich gefunden, dachte sie.
    Und je länger sie ihn ansah, desto mehr spürte sie wieder diese heiße Leidenschaft, die sie in der vergangenen Nacht durchströmt und die ihr alle Angst genommen hatte. Sie würde nie mehr wie gelähmt dastehen und ihn einfach gehen lassen. Giuditta verließ den Laden und lief auf Mercurio zu. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sie zu ihm sagen oder was sie tun sollte, sie wollte bloß zu ihm.
    Ich habe dich gefunden, dachte sie wieder.
    Doch plötzlich hielt sie abrupt inne. Ihre Füße, die leicht über das Pflaster geflogen waren, bohrten sich wie zwei Pfeile in den Boden.
    Bei dem Anblick, der sich ihr bot, wurden ihre Augen hart wie Stein. Am liebsten hätte sie den Blick abgewandt, doch ihre Augen waren wie gebannt.
    Mercurio küsste eine andere.
    Giuditta spürte, wie ihr Herz zersprang, als wäre es aus Kristall. Tränen schossen ihr in die Augen. Wenn sie weiter dort stehen blieb, würde sie jeden Moment laut losschreien. Mit dem Laut eines verletzten Tieres riss sie die Füße vom Pflaster los und ließ die Arme sinken. Sie drehte sich um und lief weg.
    »Giuditta!«, rief Donnola und rannte hinter ihr her. »Warte, Giuditta!«
    Während sie floh, mit schwerem Herzen und totenbleich, wurde Giuditta bewusst, dass sie verliebt war. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob die überschwängliche Freude, die sie empfunden hatte, tatsächlich Liebe gewesen war. Doch als sie jetzt diesen Schmerz spürte, der sich so grausam anfühlte, als hätte man ihr eine Glasscherbe ins Herz gerammt, hatte sie keinen Zweifel mehr.
    Mercurio hat eine andere geküsst, dachte sie immer wieder, während sie weiterrannte.
    Völlig außer Atem erreichte Giuditta ihre Herberge. Sie rannte die Treppen hinauf und in ihr Zimmer. Dort warf sie sich bäuchlings aufs Lager. Sie vergrub ihren Kopf in dem Kissen, das sie in der Nacht noch geküsst hatte, weil sie es im Traum für Mercurios Lippen gehalten hatte. Wie schrecklich dumm war sie gewesen! Sie packte das Kissen und riss es schreiend in Fetzen.
    Als Donnola endlich auch die Treppen hochgekommen war, hielt er entsetzt auf der Türschwelle inne. Das Zimmer war voller Daunen.
    »Was ist denn hier passiert?«, fragte er sie besorgt.
    Giuditta sah ihn an. Ihre Augen waren von Wut und Tränen gerötet, die Haare zerzaust, und ihr Atem ging keuchend. »Nichts«, stieß sie hervor.
    »Komm schon, Giu …«
    »Nichts!«, schrie Giuditta wütend wie eine Furie. »Nichts! Nichts! Nichts!«
    Donnola sagte nichts mehr. Er legte die Stoffe, die sie gekauft hatten, auf die Truhe am Ende des Bettes und wandte sich zum Gehen. Da hörte er Giuditta plötzlich zaghaft sagen: »Entschuldige, Donnola, es tut mir leid.«
    Donnola drehte sich wieder um. Er fühlte sich vollkommen hilflos. Sollte er etwas sagen, zu ihr gehen, sie etwa in den Arm nehmen?
    »Entschuldige«, wiederholte Giuditta. »Ich wollte dich nicht …«
    Verlegen blickte Donnola hinter sich zur Tür.
    »Ach, ich hätte besser nichts gesagt«, seufzte Giuditta traurig.
    »Wie meinst du das?«
    »Dann hättest du gehen können. Jetzt musst du bleiben.« Mit einem schüchternen Lächeln sah sie zu ihm auf.
    »So ein Blödsinn …«, sagte Donnola, der sich zunehmend unbehaglich fühlte.
    »Wenn du willst, kannst du gehen.«
    »Ich will überhaupt nicht gehen«, beeilte sich Donnola zu erwidern. Er war vor Verlegenheit ganz rot

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