Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
Arbeitsjacken mit den rot-weißen Streifen an den Hosen … das sind die Arsenalotti.«
Mercurio klopfte ihm auf die Schulter. »Danke«, sagte er und sprang an Land.
»Herr«, rief ihm der Fischer hinterher und folgte ihm auf den Kai. Mit gesenktem Kopf blieb er vor ihm stehen. Dann atmete er ein paar Mal verlegen ein und aus, ehe er leise hervorsprudelte: »Ich wollte Euch um Verzeihung bitten wegen dem, was bei unserer ersten Begegnung mit Zarlino geschehen ist. Ich war feige, Ihr habt völlig recht. Es ist nur so …«, der Fischer knetete verlegen seine Hände, »nun ja, es ist so, dass ich wirklich ein Feigling bin …« Er zuckte mit den Schultern, holte noch einmal tief Luft. »Bitte nehmt meine Entschuldigung an, Herr.«
Mercurio hatte mit solchen Worten nicht gerechnet. Er antwortete nicht sofort, denn er wusste nicht, was er sagen sollte. »Wie heißt du?«, fragte er schließlich.
»Battista, Herr«, antwortete der Fischer.
»Und ich bin Mercurio. Also Schluss jetzt mit diesem Herr-Getue.«
Der Fischer hob den Kopf und schaute ihm grinsend in die Augen. Dankbar nickte er und sagte: »Ciao.«
Mercurio hob fragend eine Augenbraue. » Ciao? Was soll das denn heißen?«
»Sklave«, erklärte der Fischer. »Das ist unsere Abkürzung für ›ich bin Euer Sklave‹. In unserem Dialekt wird das italienische ›schiavo‹ zu ›sciao‹. Und mit der Zeit ist uns dann wohl auch noch das ›s‹ verloren gegangen …«, sagte er lachend.
»Ich mag dieses Wort«, sagte Mercurio. Dann klopfte er ihm auf die Schulter. »Ciao, Battista.«
Battista hielt ihn erneut auf und wurde wieder rot. »Ist das, was wir auf dem Rio della Tana machen sollen, gefährlich? Ich habe eine Frau und zwei kleine Kinder …«
»Aber nein«, log Mercurio. »Es ist kaum der Rede wert. Ciao, Battista.«
Battista lächelte erleichtert. »Ciao … Mercurio.«
Mercurio zwinkerte ihm zu, steckte die Hände in die Hosentaschen und ging zu der Stelle, wo die Ladung gelöscht wurde. Er nickte der Gruppe der Arsenalotti zu. Keiner erwiderte seinen Gruß, im Gegenteil, sie sahen hochnäsig auf ihn herab. Alle bis auf einen jungen Mann, der ungefähr in seinem Alter sein mochte und ihm freundlich zunickte.
Der schien ein netter Kerl zu sein. Genau der Richtige für seinen Plan.
Mercurio tat so, als würde er einfach weitergehen, versteckte sich dann aber hinter einem Gebäude und beobachtete den jungen Arsenalotto. Nach einer Weile fuhr die Peata wieder fort, und ihren Platz nahm ein langes, niedriges Boot mit flachem Kiel ein, das an der geraden Bordwand das Wappen des Arsenals trug. Inzwischen war es Abend geworden, und die Arsenalotti luden schnell die Hanfballen auf den Lastkahn. Dann wendete das Boot und fuhr den Kanal zur Porta d’Acqua zurück. Die Männer verabschiedeten sich voneinander bis zum nächsten Tag und gingen anschließend in Zweier- oder Dreiergrüppchen zu den Wohnungen, die die Serenissima für sie und ihre Familien bereitstellte.
Mercurio folgte heimlich dem Arsenalotto, der seinen Gruß erwidert hatte. Nach einer Weile sah er, wie dieser sich von den anderen verabschiedete und in einem langgestreckten, dreistöckigen Gebäude verschwand. Mercurio war enttäuscht. Nun würde es keine Gelegenheit mehr geben, mit ihm ins Gespräch zu kommen, wie er es eigentlich geplant hatte. Doch gleich darauf streckte der junge Kerl den Kopf aus dem Eingang heraus und spähte vorsichtig nach seinen Freunden, die inzwischen schon ziemlich weit entfernt waren. Verstohlen verließ er das Haus und steuerte ziemlich schnell auf eine dunkle Gasse zu. Mercurio, der sich sofort in den Schatten eines Hauses zurückgezogen hatte, folgte ihm. Der Junge hat etwas zu verbergen, dachte er bei sich.
Unter einer Funzel etwa in der Mitte der Gasse blieb der Arsenalotto stehen, öffnete eine Tür und ging hinein.
Mercurio folgte ihm und sah sich um. Er spähte durch das kleine Fenster neben der Tür. Es war ein schäbiges Gasthaus, und er beobachtete, wie der Arsenalotto gierig das Glas Wein herunterstürzte, das ihm die Wirtin reichte.
Soso, du trinkst also gern, dachte er. Gut. Das ist ein Punkt zu meinen Gunsten.
Dann sah er, dass der Arsenalotto sich an einen Tisch setzte, wo gewürfelt wurde.
Und Geld verlieren gefällt dir auch, dachte Mercurio. Das wird ja immer besser.
Während der Arsenalotto die Würfel nahm und sich darauf vorbereitete, sie zu werfen, winkte er einer jungen Frau. Mit wiegenden Hüften ging sie zu ihm und lachte,
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