Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
Scheißkerl!«, kam es von der anderen Seite.
»Sie flucht auch wie ein Kerl«, sagte Isacco zu Lidia.
»Und zuschlagen kann sie auch wie einer«, fügte das Mädchen hinzu.
»Dann sollte ich wohl besser nicht noch einmal fragen«, bemerkte Isacco und setzte sich neben Repubblica auf das Bett. Er legte ihr eine Hand auf die Stirn, dann wandte er sich Lidia zu. »Sieh mal nach, ob wir jetzt heißes Wasser von dieser Frau – Goldmündchen, hast du gesagt? – bekommen können.«
»Ja, sie heißt Goldmündchen, weil …«
»Ich kann mir schon denken, warum«, unterbrach Isacco sie hastig. »Bleib vor ihrer Tür stehen, bis sie frei ist, und dann komm mit heißem Wasser und einem Tuch zurück, sei so lieb.«
Das Mädchen sah besorgt zu seiner Mutter.
»Ich bin doch jetzt bei ihr«, sagte Isacco beruhigend, und Lidia machte sich auf den Weg.
Als Isacco Repubblica mit einem Zipfel der Decke den Schweiß abwischte, öffnete die Hure die Augen. Sie waren zwar gerötet, aber ihr Blick war klar. »Ich stelle mich immer schlafend, weil es mir wehtut, mein kleines Mädchen anzusehen«, sagte sie mit sanfter, sinnlicher Stimme.
Isacco war verblüfft. Diese ungewöhnlich schöne Stimme passte überhaupt nicht zu ihrem Gesicht.
Repubblica schien seine Gedanken zu erraten. »Ich lösche das Licht in meinem Zimmer, und dann sag ich ihnen, was sie am meisten erregt … meinen Freiern, meine ich … Sie schätzen das sehr.«
»Das verstehe ich«, sagte Isacco. »Wann hat das hier bei dir angefangen? Und wie fühlst du dich jetzt?«
»Hör mal, Doktor«, sagte Repubblica mit ihrer sinnlichen Stimme und nahm seine Hand. »Ich weiß, dass ich sterben werde. Aber lass mich wenigstens sanft sterben, so wie du es bei Marianna gemacht hast. Als ich sie besucht habe, hatte ich kurz zuvor erste Anzeichen der Krankheit bei mir entdeckt. Und sie hat mir gesagt, dass du ihr helfen würdest, in Frieden zu sterben. Sie hat dich für alles, was du getan hast, gesegnet. Sie hat nie erwartet, geheilt zu werden … aber sie hat mir gesagt …«
»Hör auf damit«, unterbrach Isacco. »Du wirst nicht sterben.«
Repubblica sah ihn stumm an. »Ich habe kein Geld«, sagte sie dann und lachte. Isacco bemerkte den melancholischen und gleichzeitig nüchternen Unterton, wie ihn wohl alle Huren hatten. »Und ich glaube kaum, dass du in Naturalien bezahlt werden willst.«
Isacco lächelte.
»Bis jetzt ist es mir gelungen, dass mein kleines Mädchen nicht anschaffen gehen muss«, fuhr Repubblica fort und schloss dabei die Augen. »Aber später …? Was soll sie denn tun?«
Isacco verspürte ein flaues Gefühl im Magen. Er brachte kein Wort heraus. Mit gesenktem Kopf hielt er ihre Hand und hoffte nur, dass das Mädchen und auch Donnola bald zurückkamen. Als er beschlossen hatte, dass es seine Bestimmung sei, Arzt zu sein, war ihm nicht klar gewesen, dass dies bedeutete, ständig mit dem Tod zu leben und ihm fast immer ohnmächtig gegenüberzustehen. Und jetzt konnte er es nicht fassen, wie dumm er gewesen war, diesen so grundlegenden, logischen Schluss nicht gezogen zu haben. Vielleicht wolltest du ja, dass ich diesen Entschluss genau aus diesem Grund fasse, dachte er, als würde er mit seiner Frau sprechen. Sollte ich den Hauch des Todes atmen, um deinen Tod annehmen zu können?
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und auf der Schwelle erschien eine Hünin mit mächtigen Brüsten, die unter einem purpurroten Gewand bebten. »Warst du das, der hier vorhin allen auf den Senkel gegangen ist?«
Isacco stand auf. Er war mindestens eine Spanne kleiner als die gebieterische Gestalt, bei der es sich um den Kardinal handeln musste. »Tut mir leid … Ich bin Arzt, und …«
»Wie geht’s ihr?«, fragte der Kardinal.
»Nicht gut.«
»Was brauchst du?«
»Hier muss dringend frische Luft ins Zimmer«, erklärte Isacco.
»Warum sagst du das nicht gleich?«, brummte der Kardinal beim Hinausgehen.
»Stimmt, wie dumm von mir …«, murmelte Isacco mit ironischem Unterton.
»Sie ist ein guter Mensch«, sagte Repubblica leise.
Das Fenster wurde geöffnet.
»Bleib unter der Decke liegen«, sagte Isacco. Dann ging er ins Nebenzimmer und wandte sich an den Kardinal. »Danke. Jetzt muss das Zimmer gesäubert werden. Das ist ungeheuer wichtig.«
Kurz sah es aus, als wollte der Kardinal ihm an den Kragen gehen. Doch dann verließ sie den Raum, ging zum Treppenabsatz, beugte sich über das Geländer und brüllte: »Wer von euch hat einen Schrubber, Wasser
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