Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
Brüder setzten sich auf die Bank in der Mitte und krempelten sich trotz der Kälte die Ärmel hoch.
»Es geht schneller mit den beiden an den Riemen«, erklärte der Fischer Mercurio. Er zeigte auf die beiden Brüder. »Sie sind buonavoglia .«
»Und was heißt das?«, fragte Mercurio.
»Wir sind Galeerenruderer, Herr«, antwortete Tonio und deutete auf sein Handgelenk und auf das seines Bruders. Jeweils an derselben Stelle war ein Mal zu erkennen, das dunkler war als die übrige Haut, wie eine Art Narbe oder Hornhaut. »Auch wenn wir buonavoglia sind, also freiwillige Galeerenruderer, die gegen Sold an den Riemen sitzen, werden wir doch während der Schlachten angekettet, damit wir ja nicht auf die Idee kommen, uns ins Meer zu stürzen und zu verschwinden«, lachte er.
Mercurio nickte. Allein die Handgelenke der beiden waren so kräftig wie seine Oberarme.
Der Fischer machte die Leinen los und stieß das Boot von der Mole ab. Die beiden Brüder sahen sich an, während der Fischer das Boot lenkte, dann atmeten sie einmal tief durch und tauchten die Ruder ins Wasser.
»Und eins … und zieh’n … und zwei … und zieh’n …«, skandierte Tonio.
Die Ruder aus abgelagertem Buchenholz knirschten unter dem unglaublichen Druck, den die beiden Brüder auf sie ausübten.
»Vorsichtig, sonst zerbrecht ihr mir noch die Riemen!«, rief der Fischer am Steuerruder.
Die beiden Brüder lachten, doch sie wurden nicht langsamer.
Gleich darauf erreichte das Boot eine Geschwindigkeit, wie Mercurio sie noch nie erlebt hatte. Kraftvoll durchpflügte der Bug das Wasser und zerteilte die schaumgekrönten Wellen. Jedes Mal wenn die beiden Riesen die Riemen anzogen, musste Mercurio sich an der Bugbank festhalten, um nicht hinüberzufallen. Er sah zu Tonio und Berto. Sie schienen ihren Spaß zu haben, und trotz der Geschwindigkeit und der Schweißtropfen, die ihnen von der Stirn rannen, machten sie nicht den Eindruck, als ob sie sich tatsächlich anstrengen müssten.
Der Fischer lenkte das Boot sicher durch die schilfbewachsenen Kanäle, obwohl man bei dem Nebel keine zehn Schritte weit sehen konnte. Mercurio hatte keine Ahnung, wo sie sich befanden. Eine halbe Stunde lang glitten sie in dieser irrwitzigen Geschwindigkeit vorwärts, ohne dass die beiden Hünen irgendein Anzeichen von Erschöpfung zeigten oder auch nur ein bisschen langsamer wurden.
Mercurio war ganz in seine Gedanken versunken. Er hatte einen Plan ausgeheckt, um ins Arsenal zu gelangen. Ein einziger Weg war ihm eingefallen, und er war überzeugt, dass er keine andere Wahl hatte. Genau wie in seinem Verhältnis zu Scarabello. Er gehörte ihm, aber Mercurio würde ihn betrügen. Er hatte die Mönche im Waisenhaus betrogen, er hatte Scavamorto betrogen und die päpstlichen Wachen. Und früher oder später würde er auch Scarabello betrügen.
»Das hier ist der Rio della Tana, Herr«, sagte der Fischer schließlich.
Mercurio riss sich von seinen Gedanken los und sah sich um. Links von ihm erhoben sich die Mauern des Arsenals. Er schaute nach oben. Das würde ein gewagter Sprung werden. Dann wandte er sich an die zwei Hünen. Mit diesen beiden an den Rudern könnte ihn niemand einholen, sollte er verfolgt werden. »Ich werde jemanden zum Rudern brauchen, und zwar euch alle beide. In zwei Tagen.«
»Was sollen wir tun?«, fragte Tonio.
»Seid gegen Sonnenuntergang hier«, antwortete Mercurio. »Und wartet auf mich. Wenn ich dann komme … werde ich es wohl etwas eilig haben.«
»Herr, ich …«, wandte der Fischer ein.
»Ihr erhaltet jeder drei Silbermünzen«, sagte Mercurio.
Die beiden Ruderer strahlten über das ganze Gesicht.
Nur der Fischer hatte Bedenken. »Herr …«
Mercurio bohrte ihm den Zeigefinger in die Brust. »Du bist mir für eine gewisse Angelegenheit noch etwas schuldig. Ich könnte sogar von dir verlangen, dass du es ohne Bezahlung erledigst. Oder ich könnte Scarabello sagen, dass du mir nicht helfen wolltest.«
Der Fischer wurde bleich, schloss den Mund und ließ den Kopf hängen.
»Und jetzt bringt mich zur Porta di Terra, ich möchte mit ein paar Arsenalotti Freundschaft schließen. Woran erkennt man sie?«
Als sie die Darsena Vecchia erreichten, legten sie neben einer geräumigen Peata an, aus der Hanfballen für die Seilerei abgeladen wurden.
»Seht mal dorthin«, sagte der Fischer zu Mercurio. »Die da, die kaum mehr als Lumpen am Leib tragen, sind einfache Hilfsarbeiter und Schauerleute. Aber die anderen, die in den grauen
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