Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
sich an die Huren. »Na, seht ihr? Ihr sagt immer, das hier wäre die Hölle, und jetzt sagt der Doktor, hier ist es gar nicht so schlecht.«
Die Frauen verzogen keine Miene.
»Ich bitte um Verzeihung, werter Herr«, sagte Isacco. »Aber versteht doch, dieses kleine Mädchen ist …«
»Du bist derjenige, der hier zu verstehen hat, werter Doktor!«, rief Scarabello laut. Er steckte den Degen in seine Schärpe und näherte sich Isacco, bis sie einander erneut dicht gegenüberstanden. »Hier geht es ums Geschäft. Die Türme sind ein Arbeitsplatz. Und Arbeit muss Geld einbringen, sonst ist es keine Arbeit. Dieses Zimmer ist nicht ihre Wohnung.« Er ging zu Repubblicas Bett. »Repubblica, gehört das Zimmer etwa dir?«
»Nein«, antwortete sie leise.
»Hast du all die Jahre mehr als ein Silberstück die Woche verdient?«, fragte Scarabello und drehte sich zu Isacco um.
»Ja …«
»Und verlangen andere von den Huren zwei oder auch drei Silberstücke die Woche?«
»Ja …«
»Warst du nicht zufrieden, ein Zimmer bei Scarabello zu bekommen? Habe ich dich nicht immer gerecht behandelt?«
»Ja …«
»Gut. Ihr habt gehört, was Ihr wissen müsst, Doktor. Ihr könnt Repubblica hier behandeln, wenn das Mädchen gerade nicht arbeitet.« Scarabello warf Isacco einen letzten langen Blick zu.
»Na gut, was ist schon dabei?«, mischte sich der Kardinal ein. »Lidia wird eine Hure. Ich werde sie anlernen und ihr die ersten Freier besorgen, in Ordnung?«
Repubblica brach in Tränen aus.
»Hör auf zu heulen, du rührselige Schlampe«, herrschte der Kardinal sie wütend an. »Scarabello hat recht. Und damit ist alles gesagt.«
Repubblica verbarg ihr Gesicht unter den Decken.
Scarabello sog wieder die Luft ein. »Alle Zimmer sollten so gut riechen wie dieses hier. Du wirst ein Vermögen verdienen, Mädchen. Aber lass dir einen Rat geben, setz ein wenig an. Männer mögen keine dürren Frauen.« Erst als er das Zimmer verließ und die Huren vor ihm zurückwichen, schien Scarabello sich an Donnola zu erinnern. »Sag mal«, fragte er ihn. »Warum sucht eigentlich ein Junge nach dir, der für mich arbeitet, ein gewisser Mercurio?«
Donnola schaute schnell zu Isacco hinüber. Dann schüttelte er den Kopf und zuckte mit den Schultern. »Wer weiß das schon, Scarabello«, erwiderte er und rang sich ein schiefes Lächeln ab. »Wie heißt dein Mann noch mal?«
Scarabello wandte sich an Isacco und grinste. »So viele Geheimnisse, nicht wahr, Doktor? Ich glaube ja, da geht es um eine Frau.« Dann wandte er sich wieder an Donnola. »Ich werde ihm jedenfalls sagen, dass er dich hier finden kann, Donnola. Du bist wohl jetzt der Gehilfe des Doktors, richtig?«
»Du weißt doch, wie ich bin«, nuschelte Donnola ausweichend. »Mal hier, mal da …«
Scarabello wandte sich Isacco zu und sagte grinsend. »Na, Doktor, was denkst du über das Castelletto? Hast du geglaubt, dass man nur euch Juden einsperrt? Nun, dir ist vielleicht aufgefallen, dass die Huren immer ein gelbes Halstuch tragen müssen, wenn sie durch die Straßen gehen. Man könnte sagen, dass es da eine gewisse Gemeinsamkeit zwischen Juden und Huren gibt. Also willkommen, Doktor. Fühl dich hier wie zu Hause!« Scarabello lachte und ging davon.
Über das Zimmer legte sich dichtes Schweigen. Man hörte nur noch das unterdrückte Schluchzen von Repubblica unter ihren Decken. Vorwurfsvoll sahen die anderen Huren den Kardinal an, weil ihnen nicht gefiel, wie sie mit Repubblica umgesprungen war. Doch keine von ihnen wagte etwas zu sagen, weil sie sich vor ihren Wutausbrüchen fürchteten.
»Schon gut, Mama«, brach Lidia das Schweigen mit zitternder Stimme. »Mir macht es nichts aus, das zu tun, du wirst sehen …«
Repubblica schluchzte laut.
»Du dumme Kuh, warum heulst du?«, knurrte der Kardinal. Sie näherte sich dem Bett und zog Repubblica grob die Decke vom Gesicht. »Glaubst du wirklich, wir würden zulassen, dass deine Tochter eine Hure wird? Verdammt noch mal, du bist wirklich eine blöde Schlampe. Scarabello wird jede Woche sein Silberstück bekommen, aber Lidia wird nicht anschaffen gehen.« Sie wandte sich an die Huren, die sie verblüfft anstarrten. »Los, fangt schon mal an zu sparen, ihr Schlampen. Wir müssen ein Silberstück pro Woche für Repubblica beiseitelegen. Wenn Scarabello sein Geld bekommt, wird er bestimmt nicht nachfragen.«
Repubblica schluchzte noch heftiger. Sie ergriff die Hand ihrer Tochter und zog sie an sich.
»Und jetzt ist Schluss
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