Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
mit dem Geheule«, brummte der Kardinal. Dann schlug sie Isacco kräftig auf die Schulter. »Sorg dafür, dass Scarabello dich nicht umbringt. Wir brauchen dich hier, Doktor. Und nun mach dich an die Arbeit. Was hast du hier sonst zu suchen?«
»Ganz recht«, sagte Isacco. »Dasselbe gilt für euch. Alle raus hier!«
45
S ie trugen Schwarz. Zwei Männer am Bug und zwei am Heck. Selbst der Gondoliere war schwarz gekleidet und stakte stumm vor sich hin. Das Wasser war glatt und trüb wie Öl. Der Henker mit der Kapuze über dem Gesicht saß auf der Mittelbank neben Mercurio.
Mercurios Hände waren hinter dem Rücken gefesselt, und er betrachtete mit gesenktem Kopf den nassen Boden der Gondel und die schlanken, feinen Hände des Henkers.
Dann hielt die Gondel in ihrer Fahrt inne.
Mercurio hob den Kopf und sah sich um. Sie waren jetzt in offenen Gewässern. Die Ufer zu beiden Seiten waren nicht mehr als eine undeutliche blasse, mit Binsen bewachsene Linie. Man sah keine Häuser mehr. Es war so still, dass das Eintauchen der Ruderstange der Gondel fast wie ein Fluch über das Wasser hallte.
Der Henker bedeutete ihm aufzustehen.
Mercurio erhob sich schwankend.
Einer der beiden Beamten befestigte an Mercurios rechtem Arm das Pergament mit dem Urteil für das, was er im, Arsenal getan hatte.
Der Henker nahm ein Tau und schlang flink wie eine Spinne mit seinen dünnen Fingern das Seil zu einer Schlaufe um Mercurios Hals. Dann zog er den Knoten zu und bedeutete ihm, auf die Bank zu steigen.
»Hier sterbt ihr, Diebe und Verräter«, sagte der Henker und versetzte ihm einen Stoß.
Mercurio fiel ungeschickt aus der Gondel. Das kalte Wasser raubte ihm den Atem. Er bemühte sich, den Kopf hochzuhalten, um nicht unterzugehen, aber da er nur seine Beine gebrauchen konnte, fiel ihm das schwer. Er wandte sich der Gondel zu. Alle sahen ihn an. Der Henker band das andere Ende des Taus an einen viereckigen Stein mit einem großen Loch in der Mitte. Nachdem er die Knoten festgezurrt hatte, hob er den Stein über seinen Kopf. Einen Augenblick lang schien die Zeit stehen zu bleiben, dann schleuderte er den Stein durch die Luft. Dieser beschrieb einen kurzen Bogen und traf auf das Wasser, sodass es aufspritzte.
Mercurio fühlte einen Ruck am Hals. Er versuchte, ihm standzuhalten und strampelte mit aller Kraft mit den Füßen. Doch gleich darauf war sein Kopf schon unter Wasser. Während er unterging, bäumte er sich wütend auf, doch damit konnte er nicht verhindern, dass er immer weiter in den dunklen Abgrund versank. Er sah, wie der schwarze Schatten der Gondel über ihm immer kleiner wurde, bog verzweifelt den Rücken durch und fühlte schon, wie seine Kräfte erlahmten, als das Seil plötzlich nachgab.
Mercurio sah das Ende des Taus vor sich, gerissen und ausgefranst. Voller Hoffnung begann er nun, mit aller Kraft energisch zu strampeln. Er spannte die Armmuskeln an, woraufhin sich auch die Handfesseln lösten. Er versuchte an die Oberfläche zu schwimmen, doch auf der Hälfte machte ihm mit einem Mal eine heftige Strömung zu schaffen, die ihn schließlich bis zu einer Grotte in einem Riff abdrängte.
Mercurio spürte, dass seine Lungen dem nicht viel länger standhalten würden. Als er nach oben blickte, bemerkte er ein Licht. Er musste in einer Art Brunnen sein. Mit ein paar kräftigen Zügen schwamm Mercurio nach oben und nutzte die Strömung, um sich von ihr an die Oberfläche tragen zu lassen. Langsam kam er dem Licht näher. Bald würde er wieder atmen können.
Doch als er das Licht beinahe erreicht hatte, wurde sein Aufstieg jäh durch ein Eisengitter behindert, das ihm den Weg versperrte. Mercurio streckte die Hand aus und fühlte, wie seine Finger aus dem Wasser ragten. Er konnte die wärmenden Sonnenstrahlen spüren. Verzweifelt klammerte er sich an das Gitter und rüttelte mit aller Kraft daran, versuchte es zu öffnen, aus den Angeln zu heben, aus dem Fels zu drücken, in den es eingelassen war.
Da berührte ihn plötzlich jemand an der Schulter, und er drehte sich um. Kaum eine Handbreit vor ihm sah er den Säufer, der im Abwasserkanal in Rom ertrunken war. Denselben Mann, der ihn gerettet hatte, indem er ihm geraten hatte, gegen die Strömung zu schwimmen. Und genau wie damals war die Zunge des Säufers geschwollen, und seine blutunterlaufenen Augen traten beinahe aus den Höhlen.
»Mercurio«, krächzte er.
Er packte ihn an der Schulter und hielt ihn fest.
»Mercurio … Mercurio …«
Mercurio schrie
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