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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Haus, um etwaigen Fragen zu entgehen. Er streifte ziellos umher, während all seine Gedanken um den folgenden Tag kreisten. Er lief ein Stück am Canal Salso entlang, bevor er zum Anlegeplatz der Fischer zurückging und mit Battista noch einmal besprach, wann er ihn brauchen würde. Schließlich landete er auf dem weiten, rechteckigen Marktplatz, wo es nur so von Menschen wimmelte. Unzählige Marktstände drängten sich aneinander, der Duft von frischem Obst und Gemüse vermischte sich mit dem Gestank der Reste, die auf dem Boden vor sich hin faulten. In großen, zwei Armlängen breiten Becken, die einem Mann bis zur Taille gingen, schäumte die Wasseroberfläche von Aalen. An den Fischständen senkten sich die Schlachtermesser klopfend auf die nassen Arbeitsflächen, trennten Köpfe und Schwanzflossen ab, die einfach mitten auf den Weg geworfen wurden, wo die Leute sie unter ihren Füßen zerquetschten. Bauchige Terrakottagefäße, mal schlicht, mal reich verziert, verströmten ihren Duft nach Wein, Zuckersirup, Essig und Tresteröl. Die Stoffhändler priesen ihre Waren in den höchsten Tönen an. Die Schweineschlächter schmückten sich mit ihren wertvollen Ketten aus Würsten und Armbändern aus getrocknetem Fleisch. Die Wollhändler schrien ihre Preise pro Ballen Kammwolle laut heraus.
    Mercurio ließ sich vom Stimmengewirr und den Gerüchen gefangen nehmen und lief wie im Traum vorwärts. Ab und zu wurde er angestoßen, oder ein Straßenhändler packte ihn am Arm, bis er auf einmal vor einem Laden mit einer breiten himmelblauen Markise stand. Er erkannte die Pfandleihe von Isaia Saraval wieder, wo er Annas Kette ausgelöst hatte, und blieb vor der Tür stehen.
    Eine der kräftigen Wachen musterte ihn argwöhnisch.
    »Einen schönen Tag, mein guter Junge«, sagte da Isaia Saraval und verneigte sich knapp, doch würdevoll, als er Mercurio wiedererkannte. Er stieß die Wache an, die sofort beiseitetrat, den Jungen jedoch immer noch dumpf und feindselig musterte.
    »Warum stellt Ihr Eure Ware nicht offen aus wie alle anderen hier?«, fragte Mercurio verwundert. »Würdet Ihr so nicht bessere Geschäfte machen?«
    Isaia Saraval lächelte traurig. »Das ist leider nicht möglich«, sagte er und hob schicksalsergeben die Arme zum Himmel.
    »Fürchtet Ihr etwa, dass man Euch bestiehlt?«, fragte Mercurio, der nichts begriffen hatte.
    »Nein, nein, keineswegs«, erklärte der Geldverleiher lächelnd. »Uns ist es vom Gesetz her verboten, die Pfänder außerhalb des Leihhauses auszustellen. Selbst die, deren Frist abgelaufen ist und die nie eingelöst wurden. Wer etwas kaufen möchte, muss hereinkommen.«
    »Warum denn das?«, fragte Mercurio immer noch verwundert.
    Der Geldverleiher zuckte mit den Schultern, legte den Kopf schief und presste die Lippen fest zusammen.
    »Weil Ihr Juden seid?«
    »Und weil wir Pfandleiher sind.«
    Mercurio nickte verständnisvoll. »So ein Unsinn.«
    »Möchtet Ihr Euch etwas ansehen?«, fragte Isaia Saraval. »Einem guten Kunden wie Euch würde ich heute gern Rabatt gewähren.«
    »Die Kette habe ich gekauft, um sie der Frau zurückzugegeben, die sie versetzt hat …«
    »Gibt es denn kein Mädchen, dem Ihr den Hof macht? Keine Verlobte?«
    Mercurio stockte der Atem. Seit dem Abend, als die Juden im Ghetto Nuovo eingeschlossen worden waren, hatte er noch nicht den Mut gefunden, zu Giuditta zu gehen und mit ihr zu reden. Sein Wagstück, ihr über die Mauern des Ghettos etwas zuzurufen, war ihm leichtgefallen. Doch mit ihr von Angesicht zu Angesicht über alles zu reden, ihr zu erklären, dass Benedetta sie getäuscht hatte, war keineswegs so einfach. Er befürchtete, dass Giuditta ihm nicht glauben würde und ihn nie mehr wiedersehen wollte. Dass sie ihn wie einen streunenden Hund wegjagen würde.
    Reglos stand er da und starrte ins Leere, während ihn der Pfandleiher schweigend ansah. Schließlich gab er sich einen Ruck, und auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln. »Ja, zeigt mir etwas Schönes.«
    Kurze Zeit später verließ Mercurio den Laden mit einer Brosche, einem Schmetterling mit Flügeln aus Silberfiligran und einem Leib aus tiefblauem Emaille. Er lief eilig zur Anlegestelle der Fischer und bat Battista, ihn nach Cannaregio zu bringen. Der Fischer ließ ihn an der Brücke heraus, unter der einmal im Jahr der Bucintoro, die Prachtgondel des Dogen, beim Fest der Vermählung mit dem Meer in den Canal Grande einfuhr.
    Mercurio folgte den Fondamenta Barzizza und Due Ponti, dann nahm

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