Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
saß gleichmütig auf seinem Stuhl, und sein Blick ging ins Leere.
»Hättet Ihr mich nicht mit Eurem Exorzismus gerettet«, erklärte Benedetta, als die Menge sich wieder beruhigt hatte, »wäre ich mit Gewissheit gestorben, und Satan hätte sich meiner Seele bemächtigt.« Sie verließ eilends ihre Kanzel und fiel vor dem Heiligen auf die Knie. Theatralisch nahm sie seine Hand und küsste die falschen Stigmata.
Der Heilige zierte sich wieder und zog die Hand zurück, dann half er ihr auf und zeichnete ihr mit dem Daumen ein Kreuz auf die Stirn. »Geh mit Gott, gutes Mädchen. Du hast uns heute einen großen Dienst im Kampf gegen das Böse erwiesen«, sagte er und übergab sie den Wachen des Dogenplastes, damit sie sie hinausbegleiteten.
»Hat denn der Verteidiger keine Fragen an sie?«, fragte Giustiniani, der immer noch an der Seite des Patriarchen saß.
»Was fällt Euch ein, Giustiniani«, zischte ihm der Patriarch zu, während die Wachen stehen blieben und alle sich Pater Venceslao zuwandten.
Der Dominikanermönch mit den weißlich trüben Augen hob den Kopf und sah sie verwirrt an. »Euer Gnaden …«, fing er an.
»Wenn er untätig bleibt, werden die Leute denken, dass der Gerechtigkeit nicht Genüge getan wird«, flüsterte Giustiniani dem Patriarchen zu.
»Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, was dieser Trottel anstellen könnte«, erwiderte der Patriarch.
Pater Venceslao sah den Patriarchen weiterhin unschlüssig an. »Vielleicht … sollte ich zunächst mit der Angeklagten sprechen«, sagte er schließlich.
»Zu welchem Zweck?«, fragte ihn der Patriarch.
»Sie könnte mir sagen, warum wir nicht diesem guten Mädchen glauben sollten, das gerade Zeugnis abgelegt hat«, antwortete der Dominikanermönch. »Oder unter der Last ihrer Taten zusammenbrechen, bereuen und ihre Verbrechen gestehen. Meint Ihr nicht, Exzellenz?«
»Das fragt Ihr ausgerechnet mich?«
Die Menge brach in Gelächter aus.
Pater Venceslao breitete hilflos die Arme aus und zog den Kopf ein. »Ja … ja, ich muss mit der Angeklagten reden …«, entschied er sich, doch er klang immer noch unsicher.
»Also gut. Ihr habt eine Stunde Zeit. Währenddessen werden wir eine Stärkung zu uns nehmen«, sagte der Patriarch verärgert. Dann wandte er sich an Lanzafame und befahl ihm: »Bringt die Angeklagte in eine Zelle im Kloster und wacht darüber, dass es zu keinen Zwischenfällen kommt.« Und dem Heiligen sagte er: »Und Ihr, Inquisitor, haltet einstweilen Eure hübsche Zeugin auf, bis wir wissen werden, ob Euer … würdiger Gegner vorhat, sie seinem sicher äußerst strengen Verhör zu unterziehen.«
Die Zuhörer lachten schallend.
»Ihr verfluchten Mistkerle!«, zischte Mercurio leise. Dann versuchte er, Giudittas Blick aufzufangen, während sie hinausgeschafft wurde, aber sie lief mit gesenktem Kopf vorwärts und war ganz in ihre Verzweiflung versunken.
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G anz gleich, was er von dir will oder was geschieht, du kannst mich jederzeit rufen!«, erklärte Lanzafame Giuditta.
»Was sollte denn geschehen?«, fragte Pater Venceslao auf dem Weg in die Zelle, die einer der Mönche aus dem Konvent zur Verfügung gestellt hatte.
Hauptmann Lanzafame warf dem Dominikaner nur einen verächtlichen Blick zu. Dann lächelte er Giuditta beruhigend an. »Ich warte hier draußen. Wenn du rufst, bin ich sofort bei dir«, sagte er und schloss die Tür hinter sich.
Giuditta warf nur einen raschen Blick hinüber zu Pater Venceslao, dann kehrte sie ihm den Rücken zu und ging auf das kleine Fenster am anderen Ende der Zelle zu, von dem aus man auf den Innenhof des Klosters sehen konnte. Sie verachtete diesen Mönch aus tiefster Seele und wusste nicht, was er von ihr wollte, da er doch so offensichtlich mit dem Heiligen und all den anderen im Bunde stand.
»Willst du dich nicht zum wahren Glauben und zur Heiligen Katholischen Kirche bekennen?«, fragte Pater Venceslao mit eindringlich erhobener Stimme.
Giuditta fuhr herum. Jetzt wusste sie, warum er mit ihr hatte sprechen wollen.
»Das wäre besser für dich, Mädchen, so wie die Lage ist«, sagte der Dominikaner. »Es würde einen guten Eindruck machen.«
»Nein!«, sagte Giuditta entschieden.
Pater Venceslao ging auf sie zu.
»Kommt nicht näher, oder ich rufe den Hauptmann!«, drohte Giuditta.
Pater Venceslao schüttelte den Kopf und seufzte tief. »Du bist stolz und hochmütig, wie alle Juden.«
Giuditta richtete sich auf. »Wir Juden …«, begann sie empört, doch Pater Venceslao
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