Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab.
»Ja, ja, das übliche Gewäsch. Du solltest nur wissen, dass es hart wird für dich«, sagte er und machte noch einen Schritt auf sie zu.
»Mit einem Verteidiger wie Euch bestimmt«, erklärte Giuditta mit aller Verachtung, zu der sie fähig war.
»Hüte deine Zunge, Mädchen, und danke deinem Gott«, sagte Pater Venceslao. »Ich bin alles, was dir bleibt.«
»Dann bin ich wirklich arm dran«, erwiderte Giuditta.
Pater Venceslao machte noch einen Schritt auf sie zu.
»Bleibt weg von mir!«
Der Mönch schüttelte den Kopf. »Ich fasse dich schon nicht an, ich will dir nur etwas zeigen«, sagte er und stellte sich neben sie ans Fenster.
»Was?«
Pater Venceslao richtete den Zeigefinger gen Himmel. »Wenn dich nachts in der Zelle die Angst überfällt«, sagte er, und auf einmal klang seine Stimme warmherzig und mitfühlend, »dann vergiss nie, so wie ich jetzt einen Finger auf einen Stern zu richten … und ihn zu bitten, dass er dich mitnimmt … wo immer du hinwillst …« Er wandte sich zu Giuditta um und sah sie eindringlich an. »Und zu wem.«
Giuditta war sprachlos. Jetzt erkannte sie die Stimme. »Aber Ihr …« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Du …«
Pater Venceslao lächelte verschmitzt.
»Mercu …«, rief Giuditta aus, als Mercurio ihr mitten im Wort mit einem zärtlichen Kuss den Mund verschloss. »Psst, leise, mein Schatz«, sagte er dann und zog sie an sich. »Sei leise, das darf niemand wissen …«
Giuditta wich zurück. Sie betrachtete das hässliche Gesicht des Dominikanermönchs und schüttelte immer noch ungläubig den Kopf, obwohl sie unter der Verkleidung nach und nach ihren geliebten Mercurio wiedererkannte. Sie musste tief durchatmen und schüttelte weiter den Kopf.
Mercurio zog sie wieder an sich. »Ganz ruhig«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Ich bin ja bei dir …«
»Du bist hier …«, schluchzte Giuditta und versank in seiner Umarmung. »Ja, du bist hier … hier bei mir …«
Wieder rückte Giuditta von ihm ab und schüttelte bei seinem Anblick den Kopf. »Aber … wie ist es möglich, dass ich dich nicht erkannt habe? … Ich … ich …«
Mercurio lachte leise. »Nur gut, dass du mich nicht erkannt hast, mein Schatz.«
»Aber diese Augen …?«, stammelte Giuditta verwirrt.
»Das ist ein uralter Trick«, erklärte ihr Mercurio lächelnd, nahm ihr Gesicht in seine Hände und strich ihr zärtlich über die dunklen Augenbrauen. »Scavamorto hat ihn mir beigebracht. Ein Trick, den die Bettler und Taschendiebe in Rom einsetzen.« Er zeigte auf seine Augen. »Das ist Fischgekröse … also die Darmhaut von Fischen. Die ist ganz dünn. Man schneidet sie sich in der Größe des Auges zurecht und macht in die Mitte ein kleines Loch. Und dadurch kann man dann einigermaßen sehen.« Er lächelte wieder. »Am Anfang brennt es ein bisschen.«
»Das hast du für mich getan …«, flüsterte Giuditta und kostete jedes ihrer Worte aus.
»Ich habe es für uns getan«, erwiderte Mercurio.
»Mein Vater weiß nichts davon?«, fragte Giuditta.
»Nein. Je weniger Leute von einer Gaunerei wissen, desto geringer ist die Gefahr.«
Giuditta hätte beinahe laut gelacht. »Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal so froh über deine Betrügereien sein würde.«
»Und ich am allerwenigsten«, sagte Mercurio und umarmte sie noch einmal stürmisch. »Zum ersten Mal in meinem Leben danke ich Gott dafür, dass ich ein Betrüger und Verkleidungskünstler bin. Jetzt weiß ich, warum ich diese Gabe besitze …« Er sah sie durch die weißliche Schicht auf seinen Augen an. »Um dich zu retten«, sagte er feierlich.
Giuditta, die gerade noch beinahe gelacht hätte, verzog die jetzt bebenden Lippen und schloss die Augen, die sich mit Tränen füllten. »Verzeih … Verzeih …«, stammelte sie schluchzend. »Ich …« Sie sah ihn an. »Ich habe dir wohl sehr wehgetan.«
Mercurio wurde ebenfalls ernst. »Ich hätte nie geglaubt, dass ich so furchtbar leiden könnte«, sagte er.
»Ich weiß … Mir war auch so, als würde ich sterben …«
»Das war sie, nicht wahr?«, fragte Mercurio mit zornerfüllter Stimme.
Giuditta wandte den Blick ab. »Ja. Sie hat mir gesagt, dass der Fürst Contarini nach dir suchen würde, um dich zu töten, und dass sie dich nur beschützen würde, wenn ich mich von dir trenne, und ich …«
Mercurio schlug wütend mit der geballten Faust gegen die Wand. Dann nahm er sich wieder zusammen. »Entschuldige
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