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Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Titel: Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Ecke des Schlafzimmers. »Wir hatten eigentlich nicht vor zu spielen. Aber wenn du singen möchtest, können wir dich gern begleiten …« Während er spricht, holt er zwei in Geschenkpapier eingewickelte Neujahrsgeschenke aus seinem Rucksack und überreicht sieMendy. »Danke«, sagt Mendy erfreut. Doch bevor sie das Geschenk aufmachen kann, klingelt es schon wieder an der Tür. Eine Minute später platzt Peipei mit einem Schwarm Männer herein und zieht alle Aufmerksamkeit auf sich.
    Peipei zählt zwar auch zu den Gastgeberinnen, tut aber so, als wäre sie der Stargast. Mit roter Perücke und Lackrock sieht sie wie eine Aufreißerin aus. Als sie Oswald erblickt, mustert sie ihn von der Seite, dann lässt sie sich mit ihm bekannt machen, bleibt aber nicht lange stehen, sondern stolziert mit ihrem Gefolge ins andere Zimmer. Kurz darauf stellt sie sich unter die Deckenlampe mitten im Zimmer und erklärt, sie werde jetzt eine Rede halten.
    Nun ja, zu feiern gibt es genug: zum Beispiel Mendys tolles Examen und Yulins bevorstehende Hochzeit. Aber zur allgemeinen Überraschung verkündet Peipei etwas ganz anderes: die Gründung des »Erotischen Zentrums zur Erforschung deutsch-chinesischer Geschichte«. Die Leute lachen zustimmend, aber irgendjemand fragt schließlich doch, was das denn sein solle.
    »Nun ja«, erklärt Peipei großsprecherisch. »Wir fördern junge Wissenschaftler wie unseren Jörg« – dabei zieht sie einen mageren Studenten mit Nickelbrille an ihre Brust –, »der einen ganz neuen Ansatz in die Geschichtsbetrachtung gebracht hat. Wir reden nicht mehr über Kriege und die Kolonialzeit, sondern über die Zukunft, über Lebenskraft, Lebenslust und die Liebe.«
    »Und natürlich über die Umwelt«, fügt Jörg hastig hinzu, als er sich aus Peipeis Umarmung wieder befreit hat.
    Dann tritt ein blonder junger Mann hervor und verkündet die Namen der Mitglieder der Gesellschaft. Acht Namen werden vorgelesen. Er sei der Vizepräsident, und Peipei sei die Präsidentin des Zentrums. Peipei wirft sich stolz in die Brust und erklärt, als Erstes werde sie ein Online-Magazin gründen, in dem geeignete Beiträge veröffentlicht werden. Das erste Thema seien die bevorstehenden Olympischen Spiele in Peking und die Rolle des Körpers in den deutsch-chinesischen Beziehungen. Ihre Begleiter beginnen zu johlen, die anderen klatschen und lachen. Niemand weiß so recht, ob sie es ernst meint, aber die allgemeine Aufmerksamkeit ist ihr sicher. Mendy und Yulin sehen sich kopfschüttelnd an.
    Schließlich knipst Mendy das Deckenlicht aus, und Yulin schiebt eine CD in ihre Hi-Fi-Anlage. Ein Rock-’n’-Roll-Klassiker bringt die Füße der Gäste zum Wippen. Peipei, die erotische Präsidentin, betrachtet es als ihre Pflicht, den Tanz zu eröffnen. Sie winkt ihren Vizepräsidenten herbei und lässt sich auf möglichst spektakuläre Weise von ihm herumschleudern, beim anschließenden Blues tanzen sie dann eng umschlungen. Bei der nächsten Runde holt sie Oswald auf die Tanzfläche, und es ist nicht zu übersehen, dass sie ihn mit wilden Bewegungen und überraschenden Berührungen zu verführen versucht. Aber inzwischen tanzen auch schon einige andere Paare.
    Nach einer Stunde kommt Yulin ins Zimmer und verkündet, es gebe jetzt frisch gekochte Jiaozi, das traditionelle Neujahrsgericht. Auf einmal strömen alle indie Küche, und die Tanzfläche wird leer. Peipei, der beim Tanzen offenbar heiß geworden ist, geht zum Balkon, um sich abzukühlen. Yulin folgt der Freundin, flüstert ihr etwas zu und führt sie ins Bad. Dort verriegelt sie die Tür, dann wühlt sie in ihrem Wäscheschrank.
    »Ich glaube, du hast vergessen, dir unter dem Rock etwas anzuziehen, stimmt’s?«, sagt sie und drückt Peipei ein kleines Stück Stoff in die Hand. »Zieh dir einen Slip an, wenn du hier weitertanzen willst.«
    Peipei wirft den Kopf nach hinten und schaut Yulin herausfordernd an. »Das ist die neueste Mode aus Hollywood. Hast du’s noch nicht gehört?« Als die Ältere nur die Stirn krauszieht, fügt sie hinzu: »Die Befreiung des Körpers ist gut für den Kopf, große Schwester! Denk mal an die Freikörperkultur in der DDR. Solltest du auch ausprobieren.«
    »Du brauchst dich hier nicht zu produzieren«, sagt Yulin gereizt. »Wenn du den Leuten unbedingt deinen Schlitz zeigen willst, kannst du ja selbst eine Party geben. Aber bei mir brauchst du nicht mit nackter Möse herumzurennen.«
    »Hm, du bist so brav wie die Frauen in China seit

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