Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman
Klang.«
»Mendy?« Der Restaurantbesitzer winkt ab. »Siebesitzt nicht die Geduld, um einem Schüler was beizubringen. Sie ist das reinste Quecksilber. Nein nein, sie taugt nicht zur Lehrerin. Außerdem will sie bei einer Bank arbeiten und Managerin werden. Die Kinder von heute sind ja so anspruchsvoll. Erst wenn sie mal richtig auf die Nase gefallen sind, werden sie etwas bescheidener.«
Nachdenklich legt der Goldene Drache die Stirn in Falten. »So, so, sie will Karriere machen. Aber abends hätte sie doch ein wenig Zeit für mich, oder?«
»Vergiss sie, Bruder Hong«, sagt Boss Guan und seufzt unwillkürlich. »Ich sage dir, sie hat nicht mal Zeit für mich und das Restaurant, woher soll sie dann noch die Zeit für dich nehmen?« Er leert sein Glas, als müsse er seinen Kummer im Schnaps ertränken. Während er noch den Kopf schüttelt, hat er eine Idee. »Ich hab’s. Chen Peipei, die auch in meinem Restaurant kellnert, wäre eine passende Lehrerin für dich. Soweit ich weiß, gibt sie schon jetzt Sprachunterricht, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.« Dass sie Chinesisch unterrichtet, erwähnt er nicht.
»Dieses geschminkte Mädchen mit den wippenden Haaren? Sie hat kaum den Mund aufgemacht, als sie mich zu dir führte. Was lehrt sie einen denn? Stumm zu sein wie ein Fisch?« Der Goldene Drache lacht dröhnend. Er hat längst den Maßstab für seine Stimme verloren.
»Ich glaube, wir müssen nach Hause gehen«, sagt Guan mit plötzlicher Einsicht. »Sonst liegen wir hier bald unter dem Tisch.« Er telefoniert nach einem Taxi. Dann begleitet er den Gast mit unsicheren Schrittenzur Tür. Sie klopfen sich gegenseitig auf die Schulter und gehen auseinander.
Während des Studiums hat sich Mendy meist ungezwungen gekleidet. Pullover mit schrägem Ausschnitt, T-Shirts mit tiefen Windsäcken unter den Armen, blaue Strumpfhosen unter dem Jeansrock … Nichts Teures, aber jung, wie sie ist, steht ihr einfach alles. Und der lange schwarze Zopf sorgt dafür, dass sie immer ein bisschen romantisch aussieht.
Nun steht ihr das Berufsleben bevor. Und ihr ist klar, dass sie sich neue Kleidung anschaffen muss. Sie bittet ihre Freundin Ru Yulin um Rat, die seit einem halben Jahr in der Charité arbeitet und bald heiraten will.
Es ist ein kalter Februartag, als die beiden jungen Frauen Arm in Arm den Tauentzien hinunterschlendern. Yulin hat langes glattes Haar, und ihr Gesicht strahlt etwas Mütterliches aus. Weil sie größer ist als Mendy und ausladende Hüften besitzt, könnte man den Eindruck gewinnen, hier ginge eine Birne mit einem Pfirsich spazieren. Doch was die anderen Passanten über sie denken, kümmert sie wenig. Da sie sich lange nicht gesehen haben, entscheiden sie sich erst einmal für einen Besuch im Le Buffet des KaDeWe. Kaum haben sie sich hingesetzt, die eine mit einer Tasse Milchkaffee, die andere mit einem Orangensaft, beginnt Yulin sich über die künftige Schwiegermutter zu beschweren.
»Antons Mutter hat uns einen riesigen Berg Bettwäsche geschenkt. Ich war ganz schockiert, als ich denStapel sah. Ich dachte, sie will uns verfluchen, weil sie nicht glücklich ist mit der Partnerwahl ihres Sohnes. Kannst du dir das vorstellen? Alle Laken sind silbern, weiß oder metallgrau. Man beginnt richtig zu frieren, wenn man die sieht. Wir haben noch nicht mal geheiratet, da liegen unsere Leichentücher schon bei uns im Schrank.« Yulins Brust hebt und senkt sich vor Aufregung. Es ist nicht zu übersehen, dass sie noch ein bisschen temperamentvoller ist als die Jüngere.
Der Vorfall scheint Mendy zu amüsieren. Sie schnalzt mit der Zunge. »Ich heirate nicht. Daher ist mir die Farbe der Bettwäsche ziemlich egal. Schade, dass dein Bettzeug für ein Doppelbett bestimmt ist. Sonst hättest du es mir schenken können.«
Aber Yulin schimpft immer weiter. »Dann hat sie ihm weiße Chrysanthemen geschenkt! Zum Geburtstag! So was schenkt man doch keinem Lebenden. Anton und ich sehen im Krankenhaus ohnehin genug Weiß. Aber der brave Sohn war wie immer vernünftig und meinte, sie habe wohl an Reinheit gedacht und die Chrysanthemen seien sehr stilvoll. Ich frage mich bloß, welche Reinheit sie meint. Soll ich ihren kostbaren Sohn womöglich nicht anfassen? Das könnte seiner Mutter so passen.« Die Medizinerin rudert mit den Armen, als wolle sie Fliegen verscheuchen.
»Große Schwester, warum hast du dich auf Onkologie spezialisiert? Du hättest zum Theater gehen sollen. Wenn du mir eine Freude machen willst,
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