Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman
viertausend Jahren«, murmelt Peipei und schaut weg. »Wenn man dich ein bisschen flüssig machen will, kann man genauso gut gleich versuchen, einen Stein mit den Händen zum Schmelzen zu bringen.«
Wütend wirft Yulin mit der Seife nach ihr. »Gut, dann geh woandershin, wo du Tag und Nacht Sex haben kannst. Das ist bestimmt kein Problem in dieser Stadt. Vielleicht wirst du sogar noch dafür bezahlt.«
Peipei schießt das Blut ins Gesicht. Sie merkt, dass Yulin dabei ist, sie aus der Wohnung zu jagen, und beschließt, sich zu fügen. »Große Schwester, es war nur ein Scherz zum neuen Jahr. Schon gut, ich ziehe deinen Slip an. Am besten gibst du mir gleich noch einen zweiten dazu, damit ja niemand einen Blick auf meine Frühlingslandschaft erhaschen kann, ja?« Sie setzt sich auf den Klodeckel und streckt provozierend ein Bein in die Höhe, um sich den Slip anzuziehen.
Yulin schaut weg und versucht, den Atem ruhig zu halten. »Noch etwas. Lass bitte Oswald in Ruhe. Er ist wegen Mendy hier«, sagt sie.
»Aha, große Schwester hat Angst, dass unser scheues Reh keinen Mann abkriegt«, sagt Peipei höhnisch. »Merkst du nicht, dass sie die Tüchtigste von uns ist und deinen Schutz gar nicht braucht?« Als sie nur einen wütenden Blick erntet, gibt sie erneut nach. »Gut, wir sind die Eisernen Schwestern. Wir sind solidarisch. Ich geb dir mein Schwesternwort: Ich lass den langhaarigen Dackel in Ruhe.« Sie überlegt einen Moment und sagt dann: »Wenn er unbedingt mit mir tanzen will, dann bringe ich ihn zu dir, damit du mit ihm auch so ein moralisches Badezimmergespräch führen kannst.« Sie lacht klirrend, aber Yulin hat schon die Tür aufgemacht und ist hinausgegangen.
Nach diesem Gespräch hält Peipei sich eine Weile zurück. Die Gäste haben sich auf die Küche und die beiden Zimmer verteilt, einen Teller oder ein Glas in der Hand, und plaudern vergnügt miteinander. Ab und zu entdeckt jemand in seinen halbmondförmigen Maultaschen ein Geldstück oder einen kleinen Fischaus Plastik. Yulin erklärt den Deutschen, was das bedeutet: Glück und Reichtum im neuen Jahr.
Peipei wandert mit ihrem Teller hierhin und dorthin. Irgendwann tut sie so, als hätte sie zufällig gerade die Musikinstrumente entdeckt, und fordert deren Besitzer auf, etwas vorzuspielen. Oswald sagt, wenn Mendy bereit wäre zu singen, würde er sie gern begleiten. Aber Mendy will nicht singen; außerdem ist sie gerade mit Anton in ein Gespräch vertieft. Daraufhin kehrt Peipei zu Oswald zurück und meint, Mendy sei gerade beschäftigt. Aber sie könnte ja etwas singen. Das habe Mendy selbst vorgeschlagen. Und so kommt es, dass plötzlich Stille Nacht, heilige Nacht ertönt, von Peipei und ihrem blonden Vizepräsidenten mehr gekrächzt als gesungen und von Marcel und Oswald gehörig verjazzt. Das finden die Partygäste so lustig, dass alle durcheinanderzugrölen beginnen.
Im Zimmer nebenan muss man brüllen, um sich verständigen zu können. Nach und nach versiegen die Gespräche, und alle versammeln sich im Wohnzimmer. Yulin geht zu Mendy und flüstert ihr etwas ins Ohr. Dann fordert sie laut, dass Mendy jetzt singen solle.
Diesmal lehnt Mendy nicht ab. Sie stellt sich neben Oswald und fängt an zu singen. Die Reinheit ihrer Stimme ändert die Stimmung schlagartig. Wenn sie eben noch wie Limonade war, dann schmeckt sie jetzt wie kühler Wein. Einen Augenblick lang vergisst Oswald sogar, sie mit seinem Instrument zu begleiten, weil er einfach nur zuhören will. Erst als ihm Marcel einen Schubs mit dem Saxofon gibt, schlägt er wiederseine Akkorde.
Als die Nacht fortgeschritten ist und die Hälfte der Gäste gegangen, schickt Yulin ihre Freundin nach Hause. Zuvor hat sie Oswald zugeflüstert, dass Mendy ihn toll fände. Dann fällt ihr zufällig ein, dass Mendy von Kreuzberg in die Knesebeckstraße einen weiten Weg vor sich hat. Prompt bietet Oswald an, er könne sie doch nach Hause bringen. Yulin lobt sein Zuvorkommen und meint, bei einem Gentleman wie ihm sei Mendy sicher gut aufgehoben.
Als Oswalds Auto vor Mendys Haus hält, zögert sie eine Sekunde, gibt ihm schließlich einen schnellen Kuss auf die Wange und steigt hastig aus. Sie winkt, bis das Auto um die Ecke verschwunden ist, dann geht sie in ihre Wohnung hinauf. Dass Oswald nicht versucht hat, sie auf die Lippen zu küssen, enttäuscht sie. Sie kommt gar nicht auf die Idee, dass er nur weggefahren sein könnte, um einen Parkplatz zu suchen.
Kaum steht sie in ihrer schmalen
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