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Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Titel: Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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lassen. Aber soll sie dabei singen? Früher hat sie nur bei ihrer Gesangslehrerin und zu Hause gesungen. Seit sie Oswald kennt, fühlt sie sich zunehmend sicherer mit ihrer Stimme. Und für ihr eigenes Restaurant ist sie auch bereit, etwas mehr zu riskieren. Da hat Oswald recht: Wenn sie singen will, dann ist das Restaurant der perfekte Ort für sie.
    Oswald hat schon genaue Vorstellungen davon, wie sie sich geben soll: »Du brauchst nur ganz natürlich zu sein: verliebt, aber nicht ganz zufrieden, verträumt, aber zugleich hellwach. Du brauchst nur dich selbst zu spielen, dann liegen dir alle zu Füßen.« Er betrachtet sie mit verliebten Augen. Er ist fest davon überzeugt, dass sie ihm erst ganz gehören wird, wenn sie sich der Musik ergibt. Solange sie mit einem Bein draußen steht, bleibt ihre Zuneigung wackelig. Erst wenn die Musik sie gepackt hat, wird sie ihn von Kopf bis Fuß lieben. Er will sie zu nichts zwingen. Aber er arbeitet jeden Tag daran, sie zu erobern. »Hm«, sagt er, »vielleicht sollten wir lieber kein Konzert machen. Sonst hast du plötzlich zu viele Verehrer. Ich will dich ja nicht an einen anderen verlieren.«
    »Du hast das Konzert vorgeschlagen. Jetzt musst du’s auch machen.«
    Seit das Konzert vereinbart ist, verwandelt sich Oswald in einen Antreiber, der keinen Widerspruch duldet. Er ordnet an, dass Mendy täglich eine Stunde üben muss, und kontrolliert ständig, ob sie sich auch daran hält. Schwindeln hilft nichts. Denn an ihrem Gesang erkennt er schnell, ob sie geübt hat oder nicht. Er nimmt sich viel Zeit für sie. Hin und wieder holt er sie aus ihrer Wohnung oder aus dem Restaurant, um ein Lied mit ihr einzustudieren.
    Am Anfang ist Mendy etwas verdutzt über Oswalds Eifer. Aber sie will gut sein und lässt sich darauf ein. Bald merkt sie, dass Oswalds Erwartungen hoch sind. Mal vermisst er die Ausgelassenheit, dann wieder dieErotik. In einer einzigen Zeile soll sie Koketterie, Ironie und Verliebtheit zum Ausdruck bringen. Schließlich fühlt Mendy sich überfordert und weigert sich, weiterzusingen. Da greift Oswald nach den Noten und schleudert sie quer durchs Zimmer. »Du und deine chinesische Sanftheit! Da schlafen die Leute ja ein! Willst du im Krankenhaus Karriere machen?« Vor Schreck hält Mendy die Hand vor den Mund. Tränen treten ihr in die Augen.
    Ein anderes Mal hämmert Oswald auf das Klavier ein und faucht sie an: »An dieser Stelle musst du schreien. Du musst dir die Lunge aus dem Leib schreien! Du musst dich aus deinem inneren Korsett befreien. Nur so kannst du dein Publikum begeistern!«
    Mendy flüchtet aufs Klo und kaut an den Fingernägeln. Sie fragt sich, ob sie und Oswald wohl jemals ein Liebespaar werden können.
    Doch Oswald treibt es nie zu weit. Wenn er merkt, dass Mendy verstimmt ist, wird er ganz sanft und versöhnt sich mit ihr. Mendy begreift, dass Oswald ihr einen bestimmten Stil geben will. Eine schöne, saubere Stimme allein genügt nicht. Sie akzeptiert es. Zwischen verschiedenen Ausdrucksformen entscheidet sie sich schließlich für eine Mischung aus Eleganz, Sehnsucht und Leichtigkeit.
    Ihren Lehrmeister betet sie heimlich an. Als die Studioaufnahme der Band auf CD gebrannt ist, wirft sie einen nervösen Blick zu Oswald und wartet auf sein Urteil. Erst als er lächelt und sie umarmt, löst sich die Spannung. Nun weiß sie, dass sie reif für die Bühne ist.
    Gleichzeitig zeigt Oswald auch sein Organisationstalent bei den Vorbereitungen für das Konzert. Seine Website ist aktualisiert und Mendy als neue Sängerin vorgestellt worden. Ein Plakat mit einer Einladung zur Jubiläumsfeier hängt im Fenster der Strahlenden Perle und kündigt auch die Band an. »Fenster zum Salat«, steht da, und die Fotos der drei Bandmitglieder sind appetitlich mit grünem und rotem Salat dekoriert.
    Als Tubai das Plakat sieht, ist er begeistert: »Wir machen ein Festmenü und ein Buffet. Man wird noch monatelang davon reden!« Tatsächlich stellt er ein Essen zusammen, das Mendy entzückt: Viele kleine Delikatessen wie Reisknödel, sauer eingelegte Bohnen und weiß gekochtes Huhn gehören dazu. Allein schon bei der Aufzählung der einzelnen Speisen läuft Mendy das Wasser im Mund zusammen.
    »Ist das nicht zu teuer?«, fragt sie. »Und wie willst du die viele Arbeit schaffen?« Aber Tubai sagt, sie solle sich nur um ihren Gesang kümmern, die Küche könne sie getrost ihm überlassen. Den Preis für das Festmenü könnte man auf 25 Euro pro Person festsetzen.

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