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Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Titel: Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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wirft einen scharfen Blick auf seine Sängerin. »Wieso schmeißt du das Restaurant nicht hin? Dein Vater hat dich doch sowieso schon entmachtet.«
    »Aber ich kann ihm das Lokal nicht in diesem Zustand zurückgeben«, sagt Mendy schwach.
    »Wenn dir dein Vater kein Geld geben will, dann heißt das, dass er dir die Renovierung nicht zutraut. Er denkt wahrscheinlich, dass die Handwerker dich übers Ohr hauen«, sagt Oswald sachlich.
    Diese Ansicht hört Mendy zum ersten Mal. Sie denkt nach und muss innerlich zugeben, dass der junge Mann recht hat.
    Da Mendy keinen Laut von sich gibt, setzt Oswald seine Analyse fort. »Du hast Schuldgefühle, nicht wahr? Es geht dir um deine Würde? Na schön, wenn du die Renovierung unbedingt selbst bezahlen willst, warum versuchst du es dann nicht mit deinem Gesang? Wenn wir einen richtigen Hit haben, sind wir von einem Tag auf den anderen reiche Leute!«
    »Aber das ist nur ein Traum. Das weißt du doch«, wispert Mendy.
    »Wenn du nicht den Mut zu einem Traum hast, womit willst du dann zwanzigtausend Euro herzaubern? Mit deinem künftigen Gehalt? Du hättest jahrelang Schulden und würdest ein knauseriger Spießer. Am Ende bist du dann genauso verhärtet wie meine Großeltern.« Oswald schnaubt durch die Nase.
    Mendy bedeckt ihr Gesicht mit den Händen. Sie schämt sich, als hätte er sie beim Lügen ertappt. »Glaubst du wirklich an meine Stimme?«, fragt sie unsicher.
    »Du hast doch selbst gelesen, was für heiße Post die Fans dir schicken. Aber seit dem Brand hast du nur noch das verkohlte Restaurant im Kopf. Alle Proben mit uns hast du sausen lassen, und zum Festival wolltest du auch nicht mitfahren. Wenn dein Talent dir so wenig bedeutet, kann ich dir auch nicht helfen.« Oswalds Stimme klingt kalt und distanziert. Sie weiß jetzt, dass Oswald ein gnadenloser Jurist werden wird.
    Aber es geht ihm nicht nur um die Musik. Insgeheim ist er wütend, weil sie Tubai nach dem Brand bei sich aufgenommen hat. Ob sie die Absicht habe, ein Asylbewerberheim zu eröffnen, hat er gespottet. Mendy hat seine Eifersucht herausgehört und gesagt, zwischen ihr und Tubai werde nichts geschehen. Oswald hat darauf zwar nichts mehr geantwortet, doch sie hat gespürt, dass seine innere Ruhe dahin war.
    Jetzt grübelt Oswald darüber nach, wie er Mendy aufheitern und an sich binden kann, aber es fällt ihm nichts ein. Nach einer Weile des Schweigens zieht Mendy die Nase hoch, als ob sie geweint hätte. Dann sagt sie mit erstickter Stimme: »Falls du mich noch nicht aufgegeben hast, werde ich singen, wenn wir das Album vorstellen. Es wird noch dauern, bis ich bei der Bank anfangen kann. Der Termin hat sich um einen Monat verschoben.«
    »Das klingt schon besser«, sagt Oswald.
    Mendy unternimmt einen neuen Versuch. »Wenn ich dir verspreche, dass ich mich in jeder freien Minute der Band widmen werde, wirst du mir dann helfen? Wirst du deinen Vater fragen, ob er mir Geldleiht?«
    Oswald seufzt. Aber in Wirklichkeit ist er zufrieden. Nach langer Überlegung sagt er: »Du musst noch natürlicher werden. Du bist auf der Bühne zu steif und zu brav.« Er steht auf, geht zum Schreibtisch und malt. Kurz darauf kehrt er zum Esstisch zurück und überreicht Mendy ein buntes Blatt. Darauf steht: Gutschein für Mendy: Zwölf kostenlose Unterrichtsstunden bei ihrem geliebten Oswald, gültig bis zur Präsentation ihres Albums.
    »Willst du mein Geschenk annehmen?«, fragt Oswald.
    »Ich bin sehr gerührt von deinem Geschenk!« Sie wirft ihm die Arme um den Hals und küsst ihn.
    »Ich werde bei der nächsten Gelegenheit meinen Vater fragen, ob er uns Geld leiht, okay?«
    »Du bist ein edler Schatz«, gurrt sie. Aber als er die Hand unter ihre Bluse schieben will, lässt sie es nicht zu.
    Mendy steht vor Peipeis Wohnungstür und drückt auf die Klingel. Sie glaubt, die Dielen knacken zu hören, aber dann ist es wieder ganz still. Hat sie sich getäuscht? Oder kam das Geräusch vielleicht aus der Nachbarwohnung?
    Mendy schaut auf die Uhr. Sie ist eine halbe Stunde zu früh da. Ist Peipei noch unterwegs? Mendy drückt erneut auf den Knopf. Totenstille hinter der Tür.
    Mendy geht langsam die Treppe hinunter. Im Hof gibt es keine Sitzmöglichkeit. Soll sie rund um den Block gehen, um die Zeit totzuschlagen? Dazu ist sienicht in der Stimmung. Sie steigt die Treppe wieder hinauf, setzt sich auf die oberste Stufe und wartet. Da Peipei ganz oben in der fünften Etage wohnt, wird kaum jemand bemerken, dass da eine im

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