Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman
du dich an die Älteren halten.«
»Das versuche ich ja«, erklärt Mendy und zwingt sich zu einem Lächeln. »Oswald ist zu seinem Vater gefahren. Vielleicht schafft er es, ihn zu einem Kredit für mich zu überreden.«
»Du bist eine Traumtänzerin«, lacht Peipei, als wäre die Freundin ein kleines Mädchen, das keine Ahnung vom Leben hat. »Du bist nicht mit Oswald verheiratet. Für den Vater existierst du noch gar nicht. Warum sollte er einer Fremden wie dir aus der Patsche helfen?«
»Ich bin ehrlich und vertrauenswürdig. Und ich werde hart arbeiten, um Geld zu verdienen. Vielleicht kann Oswald das seinem Vater vermitteln«, sagt Mendy.
»Schau an, du denkst wirklich an Heirat.« Peipei lacht erneut, als wolle sie sagen: Du hast keine Ahnung von Männern, du Küken.
Mendy senkt den Kopf und nippt verstimmt an ihrem Tee. »Nicht alle sind blind. Es wird jemanden geben, der meine Fähigkeit zum Geldverdienen schätzen wird«, sagt sie bissig.
Peipei dämpft ihre Stimme ein wenig und mustert die Freundin eingehend. »Ach, weißt du, du hast dir einen guten Mann ausgesucht. Dein Oswald ist wirklich sehr großzügig und nett. Hat er dir erzählt, dass er einen Beitrag zur Gründung unseres Instituts leisten wird? Natürlich mit seiner Gitarre. Die Feier soll Ende Mai stattfinden.«
Mendy verschluckt sich und versprüht einenSchluck Tee auf dem Tisch. »Oswald will ein Konzert mit dir machen?«, sagt sie und reibt sich dabei die Augen, als hätte ihr jemand ein Sandkorn hineingestreut. Benommen steht sie auf, um den Tisch sauber zu wischen.
»Mit dem Konzert will ich gleichzeitig etwas Privates feiern«, sagt Peipei. »Ich bin nämlich bald mit der Uni fertig.«
»Das ging aber schnell.«
»Na ja«, sagt Peipei. »Man soll eine Frau mit Vogelnestfrisur niemals unterschätzen.«
Mendy zieht die feinen Augenbrauen hoch. Immer wieder einmal sind ihr Gerüchte zu Ohren gekommen, dass man Diplome und Doktortitel auch käuflich erwerben könne. Aber über ihre Eisenschwester will sie nichts Schlechtes denken. »Und was willst du dann machen, als frischgebackene Historikerin?«
»Nun, vorhin hat Boss Hong mir von einer Geschäftsidee erzählt, die mich sehr interessiert«, sagt Peipei kokett und streckt die Arme in die Höhe, als wolle sie einen Regenbogen berühren. »Wahrscheinlich werde ich eine China-Boutique mit Seide und Porzellan aufmachen.«
Mendy fällt fast vom Stuhl. Dass Peipei mit ihrem halbgaren Studium plötzlich an ihr vorbeischießt, erschüttert ihr Selbstvertrauen. Ihrer Freundin fällt das Glück offenbar in den Schoß, während sie selbst immer bloß hinterherrennt. Was hat sie nur falsch gemacht?
»Was machst du für ein Gesicht? Hast du gedacht, deine Eisenschwester müsste in Deutschland verhungern?« Peipei lacht so hemmungslos, dass das Vogelnest auf ihrem Kopf wippt.
»Nein, du wirst besser leben als wir alle«, sagt Mendy mit leiser Stimme. »Du hast so ein Glücksgesicht.«
Die Freundin lächelt geschmeichelt. »Als Investor hat man mit der Aufenthaltsgenehmigung keine Probleme. Wahrscheinlich werde ich mir auch bald Geld leihen müssen – vielleicht hilft mir der Goldene Drache«, sagt sie und spitzt die Lippen.
Diese Worte rufen Mendy ihre miserable Lage ins Gedächtnis. Sie fühlt sich elend und wird zunehmend wortkarg. Als sie Peipeis Wohnung verlässt, hat sie zwar dreihundert Euro mehr in der Tasche, doch ihr Gesicht ist noch düsterer als zuvor.
Mendy starrt seit Stunden auf ihren Laptop. Der Arbeitsvertrag von der Bank lässt auf sich warten, und sie sucht dringend nach einer Stelle. Ein halbes Dutzend Bewerbungen hat sie bereits geschrieben. Dass es schon Nacht ist, merkt sie erst, als sie draußen den schwarzen Himmel sieht.
Jetzt fällt ihr auf, dass Tubai offenbar die ganze Zeit auf Zehenspitzen herumgeschlichen ist, um sie nicht zu stören. Seit Michael zu seiner Mutter zurückgekehrt ist, teilen sie sich die Wohnung zu zweit. Tagsüber leistet Tubai bei Yeye den Pflegedienst oder unternimmt etwas mit dem Jungen. Nur abends treffen sie sich. Aber Mendy ist meist so abgehetzt, dass sie ihren Mitbewohner gar nicht beachtet. »Ich bin gleich fertig. Dann kannst du schlafen gehen«, sagt sie undverschwindet im Bad.
Aber zwei Sekunden später steht sie schon wieder im Wohnzimmer. »Tubai, du sollst meine Wäsche nicht waschen!«, sagt sie mit scharfer Stimme. »Ich verbiete es dir!«
»Das war nicht ich, sondern die Waschmaschine.«
»Und wer hat sie im Bad auf
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