Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Titel: Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Michael?« Sie will zu ihrem Halbbruder gehen, um sich selbst ein Bild von seinem Zustand zu machen, aber Yeye hält sie zurück. »Du darfst ihn nicht stören. Er schläft. Vielleicht kehrt der Geist, der seinen Körper verlassen hat, gerade zurück.«
    Die beiden Frauen setzen sich an den Tisch und überlegen, wer Michael so zugerichtet hat. Mendy meint, Jugendliche könnten sehr grausam sein, und vermutet die Übeltäter unter Michaels Mitschülern. Sie schlägt vor, die Klassenlehrerin zu alarmieren und sie um Hilfe zu bitten. Doch Yeye winkt ab. Der Überfall auf den Sohn sei kein Schülerstreich. Irgendjemand wolle sie einschüchtern und ihnen zeigen, wie hilflos sie seien. Nur wer dahinterstecke, wisse sie nicht. Der Brand im Restaurant, Guans Verhaftung und jetzt der Angriff auf Michael, das habe System. Wenn sie die Ereignisse in einer Reihe betrachte,dann …
    Yeye kann vor Angst nicht mehr sitzen bleiben. Sie springt auf, geht hin und her und zermartert sich das Gehirn, welchen Namen der Feind trägt.
    »Die Schlampe Peipei«, platzt Yeye plötzlich heraus. »Diese unverschämte Hure möchte Michael und mich am liebsten aus dem Haus jagen und selber hier einziehen.«
    Mendy schüttelt den Kopf. Intuitiv glaubt sie nicht, dass Peipei solche bösen Dinge tun kann. Aber dass sie mit ihrem Vater und Oswald geschlafen hat, kann sie ihr nicht verzeihen.
    Yeye hat dafür kein Verständnis. »Du hast keine Ahnung von Menschen«, sagt sie abschätzig. Doch sie scheint sich selbst nicht ganz sicher zu sein, ob die kleine Hure einen so langen Arm hat.
    Mendy fragt, ob sie Hilfe von der Polizei holen sollen. Da fährt Yeye sie an: »Der Feind steckt noch im Dunkeln. Wir wissen nichts über ihn. Was kann die Polizei denn schon tun außer aufschreiben? Mendy, sei nicht so naiv, denk lieber nach, wer uns beschützen kann.«
    »Wer soll uns denn beschützen?«, fragt Mendy unwillig. »Wir müssen selbst damit fertigwerden.«
    »Das verstehst du nicht«, sagt die Stiefmutter. »Du bist noch ein dummes Mädchen. So viel ist sicher: Solange dein Vater nicht wieder zu Hause ist, braucht Michael für unterwegs einen Begleiter.«
    »Kann das nicht Tubai machen?«, sagt Mendy rasch.
    Yeye wirft Mendy einen überraschten Blick zu. An den von ihrem Mann gefeuerten zweiten Koch hat sienoch gar nicht gedacht. Aber einen wirklichen Einwand kann sie auch nicht dagegen vorbringen. »Also schön«, sagt sie spöttisch. »Ruf deinen kleinen Verehrer an.«
    Mendy telefoniert eine Ewigkeit, bis sie Tubai endlich in Potsdam erreicht. Das Asylbewerberheim ist nicht allzu hilfsbereit. Als sie endlich Tubais Stimme hört, bricht sie zu ihrer eigenen Überraschung beinahe zusammen. »Du musst uns helfen«, schluchzt sie. Dann kommt sie erst mal nicht weiter.
    »Du bist niemals allein. Weine nicht, Mendy. Ich bin morgen bei dir«, sagt Tubai. Dieser Satz kommt wie ein warmer Sonnenstrahl. Wie schön, dass sie einen echten Bruder hat!
    Nach dem Telefongespräch legt sie erschöpft den Kopf auf den Küchentisch. Als sie sieht, dass Yeye immer noch so angespannt herumschleicht, als befände sie sich in einem Minenfeld, beschließt sie, bei ihr zu übernachten, und kocht erst einmal eine heiße Suppe.
    Beim Essen sagt Yeye: »Wir müssen die Kaution für deinen Vater zusammenbringen.«

Kapitel 12
    Das Angebot

    Am nächsten Tag erscheint Tubai vor Mendys Wohnung. Sein Gesicht ist von Leid, Scham und Sorgen gezeichnet, aber er freut sich ganz offensichtlich.
    »Du bist dünner geworden«, sagt Mendy zur Begrüßung.
    »Du noch mehr. Du bist dünn wie ein Essstäbchen.«
    Mendy führt ihn in die Küche, um ihm ein Glas heißes Wasser zu geben. Dann wird die Wiedersehensfreude so groß, dass sie plötzlich das halb gefüllte Glas nimmt und es ihm zuwirft. Blitzschnell lässt Tubai den Rucksack fallen und fängt das Glas aus der Luft. Das Wasser schwappt ihm auf den Kopf, doch das Glas landet sicher in seiner Hand. Als er wortlos das restliche Wasser trinkt, klatscht Mendy in die Hände und lacht. »Du musst so lange bei mir wohnen und üben, bis kein Tropfen Wasser mehr aus dem Glas fliegt«, sagt sie und umarmt ihn.
    »Ja«, sagt Tubai und drückt Mendy an sich, als wäre sie ein verloren geglaubter Schatz. Er hat Mühe, seine Stimme nicht beben zu lassen. Aber dann zieht er die Luft hörbar durch die Nase. »Hast du was auf dem Herd anbrennen lassen? Kochst du immer noch so miserabel?«
    Nach dem Essen bringt Mendy ihn zu Yeye. Diesmal wird er fast

Weitere Kostenlose Bücher