Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest
stehen und starrte auf meine leere Hand. Kirby Winter und das flachshaarige Hillbilly-Mädchen lächelten mir zu. Ich sah Huddleston an. Ich schwöre Ihnen, Fred, er hatte von einem Augenblick zum anderen alles ausgezogen, was er angehabt hatte; eine große blaue Schärpe war um seine Mitte zu einer Masche gebunden, und auf seiner Brust stand mit Lippenstift geschrieben: »Überraschung!«
Ich dachte an Sao Paulo. Falls etwas schiefging, war ich entschlossen, Kirby Winter ins Bein zu schießen und die Situation zu retten. Sie wissen, ich schieße schnell und zielsicher und hätte ihn wahrscheinlich genau dort getroffen, wo ich wollte. Aber als ich feuern wollte, hatte ich statt eines Revolvers einen Parfumzerstäuber in der Hand.
Ich starrte Kirby Winter an, aber plötzlich befand ich mich im Fahrstuhl, ohne daß ich wußte, wie ich dorthin gelangt war, und die Tür ging gerade zu. Außer mir waren da noch ein Liftboy, drei Touristinnen mittleren Alters und Huddleston. Die Tür ging zu, und wir fuhren hinunter. Die Damen schrien und fielen in Ohnmacht, und es herrschte ein schreckliches Durcheinander. Ich hatte auch nur eine Schärpe umgebunden, genau wie Huddleston, nur daß meine rosa war. Auf meiner Brust stand: ›Adios, amigo!‹. Wir waren beide vollkommen kahl geschoren und in Parfum getränkt. Der hysterische Liftboy fuhr mit uns hinunter in die Eingangshalle und öffnete die Tür. Huddleston war so entsetzt, daß er davonlaufen wollte.
Wie dem auch sei, die Dinge nehmen ihren Lauf, und wenn wir Glück haben und Sie das Geld schicken, um das ich telegraphierte, dann lassen sie uns vielleicht morgen raus. Unser Rechtsanwalt ist der Meinung, daß es keine schwerwiegenden Anklagepunkte gibt, aber sicherlich viele kleine. Er hat sich erkundigt, Kirby Winter und Begleitung sind heute gegen Mittag abgereist.
Meiner Ansicht nach wird Huddleston in Zukunft für niemanden sehr nützlich sein; für mich kann ich nicht garantieren. Wenn Sie glauben, daß man uns gekauft hat, müssen Sie zugeben, daß wir es auf recht eigenartige Weise vertuschen wollten.
Wie gesagt, wenn Ihr Klient Kirby Winter noch einmal aufspüren will, dann schicken Sie jemand anderen. Ich habe mich bemüht, das Geschehene vollkommen unvoreingenommen zu analysieren. Die einfachste Antwort wäre Hypnose. Aber ich glaube, Fred, es war schlicht und einfach Zauberei, wie in den Geschichten, die wir als Kinder gelesen haben. Warum nicht? Wenn es auf der Welt noch Zauberei gibt, dann werden doch die, die sie beherrschen, bestimmt dafür sorgen, daß nichts davon in die Zeitungen kommt, oder? Winters Onkel, dieser Omar Krepps, der war doch angeblich ein sehr geheimnisvoller Kerl, so eine Art Zauberer. Vielleicht hat er vor seinem Tod Kirby Winter noch die Zaubersprüche beigebracht und ihm gezeigt, wie man die Lampe reibt oder was zum Teufel er eben macht.
Denken Sie an Sao Paulo. Winter und das raffinierte kleine Frauenzimmer haben sechs der größten Kasinos um jeweils etwa siebzigtausend Dollar erleichtert. Wenn das nicht Zauberei ist, Fred, was ist es dann? Benutzen sie eine neue Erfindung?
Ehrlich gesagt, in meiner augenblicklichen Verfassung würde es mich überhaupt nicht erschüttern, wenn das kleine Hillbilly-Mädchen plötzlich in meiner Zelle auftauchte und sich in ein purpurrotes Känguruh verwandelte. Nach etlichen solchen Erlebnissen kann einen nämlich nichts mehr erschüttern. Verstehen Sie, was ich meine?
Ihr Klient ist der Meinung - und Sie glauben es vielleicht auch -, daß dieser Kirby Winter ein Dussel war, aber glauben Sie mir, irgend etwas hat ihn verändert. Wenn Sie nicht herausfinden, was dahintersteckt, hat es keinen Zweck, ihm jemand anderen auf die Fersen zu hetzen. Die beiden haben uns angesehen, Fred, als wären sie zwei Marsmenschen. So wie Sie und ich über einen jungen Hund lachen würden, der einen anknurrt: liebevoll und überlegen.
Ich hoffe, daß das Geld schon unterwegs ist, denn falls nicht, sind wir womöglich sehr, sehr lang hier. Ganz gleich, wann wir hier hinauskommen, ich werde mir voraussichtlich einen anderen Beruf suchen. Ich habe irgendwie mein Selbstvertrauen verloren.
Hochachtungsvoll
Sam Giotti
Kapitel 1
Kirbys Welt kam langsam wieder ins Gleichgewicht, aber es kostete ihn unendliche Anstrengung. Der Nachhall seiner einschläfernden Klage quälte sein malträtiertes Bewußtsein. Die Silhouette der Frau, die ihm gegenüber am Tisch saß, zeichnete sich gegen das Fenster ab - ein Fenster, das
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