Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest
sich neben ihn. Sie hatte einen Gürtel so um den Morgenmantel gebunden, daß er nicht klaffte.
»Armer Kirby.«
»Ich weiß.«
Sie streichelte seinen Arm und lachte. »So schnell hat mich noch niemand ausgezogen.«
»Sehr komisch!«
Sie berührte sein Kinn und drehte seinen Kopf, so daß er ihr in die Augen sehen mußte. Sie sah sehr traurig aus. »Sie führen mich in Versuchung, Liebster, weil Sie so süß und nett sind. Heutzutage wird zu viel Theater gespielt, und zu viele Männer sind in jeder Hinsicht anders als Sie.«
»Wenn alle so wären wie ich, dann wäre das Überleben der Menschheit in Frage gestellt.«
Sie zog ihn näher zu sich. Er küßte sie, zuerst schüchtern, dann mit wachsender Begeisterung. Als er sie auf das Bett warf, befreite sie sich von ihm, schüttelte den Kopf und schnitt ihm ein Gesicht. »Nein, Liebster. Joseph und ich haben Sie sehr gern. Sie haben eine schreckliche Zeit hinter sich, und Joseph hat mich gebeten, mich um Sie zu kümmern. Jetzt seien Sie ein braves Schäfchen und springen Sie ins Bett. Ziehen Sie das Oberteil des hübschen Pyjamas aus und legen Sie sich auf den Bauch, dann werde ich dafür sorgen, daß Sie sich sehr, sehr wohl fühlen.«
»Aber ...«
»Seien Sie kein Spielverderber, Liebster. Fürs erste wollen wir es bei einer Freundschaft belassen, finden sie nicht?«
»Wenn Sie mich fragen ...«
»Still. Eines Tages werden Sie mein Liebhaber werden, vielleicht schon bald, wer weiß? Macht die Ungewißheit nicht mehr Spaß? Seien Sie ein braver Junge.«
Er streckte sich aus, wie sie es befohlen hatte. Sie drehte alle Lichter aus, bis auf eines. Dann trat sie an das Bett, goß eine kühle, duftende Flüssigkeit auf seinen Rücken und begann mit geschickten Fingern die Muskeln auf seinem Rücken, auf den Schultern und auf dem Nacken zu kneten.
»Sie haben wirklich wunderbare Muskeln«, sagte sie.
»Isometrisches Muskeltraining.«
»Was?«
»Übungen, die jeder machen kann.«
»Ach so. Jetzt entspannen Sie sich. Tauchen Sie in die Dunkelheit ein, liebster Kirby. Geben Sie sich nur Ihren Empfindungen hin.«
»Hmm.«
»Ruhen Sie sich aus. Entspannen Sie sich.«
Unter ihren beruhigenden Händen ließ seine Anspannung nach. Er war vollkommen erschöpft und wäre am liebsten im Schlaf versunken wie in einem grundlosen, pechschwarzen Sumpf. Aber ihre Berührung, ihre sanfte, neckende Stimme, das Bewußtsein ihrer duftenden, erotischen Anwesenheit hielten ihn wach und ließen ihn an der Oberfläche des Schlafes dahindämmern. Sie summte eine Melodie, die ihm vertraut vorkam, als hätte er sie in einem ausländischen Film schon gehört.
Seine Gedanken wanderten zurück zum vergangenen Mittwoch um Mitternacht. War das vor siebenundfünfzig Stunden gewesen? Zu diesem Zeitpunkt hatte ihn in seinem Hotel in Montevideo die Nachricht erreicht. Der alte Mann war tot. Omar Krepps. Onkel Omar. Der Gedanke war erschreckend, daß der Tod Macht über den seltsamen, unverwundbaren kleinen Mann hatte.
Als er an die Rückreise dachte, sank er immer tiefer in die Arme des Schlafs und die Bilder wurden verworrener; Charla veränderte sie. Der Jet mit der busenförmigen Nase hob von einer hellen, seidigen Rollbahn ab, die einem zarten Körper glich, während sich die schattenhaften, nackten Stewardessen summend um ihn scharten. Im Halbschlaf wurde ihm verschwommen bewußt, wie ihn Charla umdrehte und ihm half, die Pyjamajacke anzuziehen. Ihr Mund legte sich süß und schwer auf seinen. Als er versuchte, die bleischweren Arme zu heben, um sie festzuhalten, war sie verschwunden. Er glaubte, sie sagen zu hören: »Es tut mir leid, Liebster.« Er hätte gern gewußt, was ihr leid tat. Dann ging das Licht aus. Die Tür schnappte ins Schloß, und er versank im Nichts.
Kapitel 2
Ein schlaksiges junges Mädchen, das Kirby noch nie gesehen hatte, holte ihn unsanft aus den Tiefen des Schlafs. Sie rüttelte ihn wach. Alle Lichter im Zimmer waren an. Er stemmte sich auf den Ellbogen hoch. Sie rannte so schnell um das Bett herum, daß er Mühe hatte, ihr mit den Augen zu folgen. Sie schrie auf ihn ein, und die Worte ergaben keinen Sinn. Ihr schmales Gesicht war zorngerötet, und die grünen Augen quollen vor Wut hervor. Der dunnkelblonde Haarschopf war wirr gestutzt. Sie trug ein korallenrotes Hemd, eine gestreifte Stretchhose und fuchtelte mit einer Strohtasche herum, die so groß war wie eine Schnarrtrommel.
Er brauchte eine Weile, bis er begriff, daß sie in einer Sprache schrie,
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