Das Maedchen mit dem Stahlkorsett
setzte. Seltsam, aber plötzlich wünschte er sich, er hätte sich zum Ankleiden etwas mehr Zeit genommen. Andererseits war Finley kein Mädchen, das sich durch einen akkuraten Krawattenknoten beeindrucken ließ, auch wenn sie verdächtig oft seinen Hals betrachtete.
Finley trug eines der orientalischen Kleider, die er ihr gekauft hatte. Es bestand aus türkisfarbener Seide und war mit goldenen und rosafarbenen Stickereien verziert. Ihr honigblondes Haar war zu einem unordentlichen Knoten gebunden, in dem anscheinend ein Stift steckte. Er nahm sich vor, ihr Haarnadeln und all den anderen Krimskrams zu besorgen, den junge Ladys brauchten.
»Woher kommt die schwarze Strähne?« Er richtete den Blick auf ihre Frisur und hatte den Eindruck, die Strähne sei im Verlauf des Tages sogar gewachsen.
Unwillkürlich hob sie eine Hand. »Keine Ahnung. Sie ist mir erst heute Morgen aufgefallen, als ich aufgewacht bin. Vielleicht war sie schon vorher da, und ich habe sie bloß nicht bemerkt. Künstlich eingefärbt ist es jedenfalls nicht.«
»Eigenartig«, meinte er lächelnd. »Aber es steht dir gut. Damit siehst du sehr geheimnisvoll aus.«
Fast hatte er den Eindruck, sie sei wegen seiner Neckerei ein wenig errötet.
»Ich habe dich vernachlässigt«, fuhr er fort. »Das tut mir leid. Morgen früh treffen wir uns in der Bibliothek, und dann helfe ich dir, diese Kräfte etwas besser zu kontrollieren.«
Sie schreckte auf. »Kontrollieren? Heißt das … dass ich immer so bleiben werde?«
Es schickte sich nicht, doch er nahm ihre Hand. Sie hatten zu viel miteinander erlebt, um auf Förmlichkeiten zu beharren. »Die Alchemie deines Vaters hat im Grunde ein Ganzes in zwei Hälften aufgespalten und deine Persönlichkeit verletzt. Ich glaube, deshalb hast du jetzt solche Schwierigkeiten mit deinem eigenen Wesen. Du bist nicht im Gleichgewicht. Die beiden Hälften müssen wieder zu einem Ganzen vereinigt werden.«
Das gefiel ihr überhaupt nicht. »Was ist, wenn mich der Schatten überwältigt?«
»Das wird nicht geschehen, und selbst wenn – es würde nicht lange dauern, bis die andere Seite in dir wieder zum Vorschein käme. Hättest du nicht lieber die Kontrolle über beide Seiten, statt dir ständig Sorgen machen zu müssen?«
Finley überlegte und kaute nachdenklich am Daumennagel. Dann ließ sie die Hand sinken und versteckte den Daumen in der Faust. »Ja, sicher.«
Griffin grinste, denn er freute sich über die Entschlossenheit, die in ihrer Stimme lag. »Gut so, mein Mädchen.« Es hatte gar nicht so besitzergreifend klingen sollen, wie es herausgekommen war. Rasch wandte er sich ab, damit sie seine Verlegenheit nicht bemerkte, und die ihre wollte er auch nicht sehen.
Nach einer kleinen Weile drehte er sich wieder zu ihr um. »Mir tut unendlich leid, was dir Tante Cordelia angetan hat.«
»Schon gut. Sie hat sich bereits entschuldigt, und ich habe ihr verziehen.«
»Das war freundlich von dir.«
Sie schnaubte. »Das hat mit Freundlichkeit nichts zu tun. Hätte sie es nicht getan, würde ich mich immer noch fragen, ob ich Lord Felix umgebracht habe.«
Ihre Offenheit erschreckte ihn ein wenig, doch zugleich war er auch amüsiert.
»Dann ist ja am Ende doch noch etwas Gutes herausgekommen. Was machen deine Verbrennungen?« Es behagte ihm nicht, dass sie sich Verletzungen zugezogen hatte, als sie ihm hatte helfen wollen, und doch wusste er zu schätzen, dass sie ihm ohne Rücksicht auf ihr eigenes Wohlbefinden zu Hilfe geeilt war. Seit dem Tod seiner Eltern hatten sich nur wenige Menschen so selbstlos für ihn eingesetzt, und sie alle lebten unter seinem Dach.
Sie hob eine Hand – nicht die, auf die er die seine gelegt hatte – und legte sie sich in den Nacken. »Fast schon geheilt. Emily hat mir eine Salbe gegeben, und anscheinend hat mir die Arbeit meines Vaters auch die Fähigkeit geschenkt, Verletzungen rasch abheilen zu lassen.«
»Ganz zu schweigen von der Fähigkeit, hundertfünfzig Pfund wie nichts hochzuheben«, grinste er.
»Hundertfünfzig?« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Klatschnass und voll angekleidet dürfte es sogar etwas mehr gewesen sein.« Sie errötete ausgiebig, und Griffin biss sich auf die Lippen, um nicht zu kichern. Er brauchte Cordelias Fähigkeiten nicht, um zu erkennen, dass ihre eigene Bemerkung sie darauf gebracht hatte, ihn sich unbekleidet vorzustellen.
»Wenn ich mich recht entsinne, habe ich dich gebeten, mich abzusetzen«, sagte er, um das Gespräch in
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