Das Mädchen mit den Teufelsaugen
schüttelten die Köpfe und pressten ihre schmalen Lippen fest aufeinander. Die Männer schielten auf die bloße Brust des wilden Geschöpfes, das heute in Rauch aufgehen sollte.
Lisbeth stand ganz hinten, den Arm schützend vor den Bauch gelegt. An ihrer Hand zappelte Rosamund. Der Vater hatte seine Drohung wahr gemacht; seit dem Besuch im Turm hatte sie nicht mehr auf die Straße gedurft. Und weil die Mutter sich womöglich an ihr versehen und einen Wechselbalg zur Welt bringen konnte, wohnte sie seither in der Werkstatt. Den ganzen Tag war sie mit Dietrich und dem Vater zusammen, durfte rühren und mischen und malen, so viel sie wollte. Und heute Morgen war die Mutter gekommen, hatte befohlen, dass Rosamund ihre Blicke bei sich behielt, und ihr ein Buch vor die Füße geworfen. «Da, das ist alles, was von deiner Tonia bleiben wird. Bevor die Glocken den Mittag einläuten, wird sie schon in der Hölle schmoren.»
Rosamund hatte das Buch aufgehoben und es sorgsam glatt gestrichen. Tonia hatte ihr von diesem Buch erzählt, aber da Rosamund noch nicht lesen konnte, hatte sie es bisher noch nicht gesehen.
Dann hatten der Vater und die Mutter gestritten, und Rosamund hatte nur einzelne Sätze verstanden, weil die beiden vor die Tür gegangen waren. «Das kannst du ihr nicht antun; ein Kind ist sie ja noch», hatte der Vatergesagt, und die Mutter hatte geschrien: «Sie soll sehen, dass alles ihre Schuld ist. Sie ist ein Teufelsbalg und muss lernen, was einer wie ihr blüht, wenn sie sich nicht an Ordnung und Regeln hält. Eine wie sie muss gehorchen. Aufs Wort, auf einen Ruf, einen Pfiff gehorchen, sonst nichts.»
Die Mutter hatte die Antwort des Vaters nicht abgewartet, sondern war zurück in die Werkstatt gestürmt und hatte Rosamund am Arm gegriffen. «Komm mit, halt den Mund und, vor allem, schau niemanden und nichts an, nur deine Schuhe.»
Rosamund war neben der Mutter durch die Gassen gestolpert, wurde hin und wieder unter Mutters Rock geschoben, sobald ein Nachbar den Weg kreuzte, und stand jetzt eingekeilt in der Menge. Vor ihrem Gesicht schoben sich Bäuche hin und her, Hintern wogten wie Flusskähne auf und ab, und von oben regnete es Spucke und Missgunst.
Rosamund wurde von der Hand der Mutter getrennt, an den Rand der Menge gespült, gleich neben die Kräuterfrau. Dort blieb sie, die Füße ordentlich nebeneinander, die Hände brav verschränkt, den Blick gesenkt.
«Na, Schätzchen, kannst gar nichts sehen, klein, wie du bist», sprach die Kräuterfrau zu ihr. Rosamund nickte, ohne den Blick zu heben.
«Mach dir keinen Kummer deshalb. Ich erzähle dir, was ich sehe.»
Rosamund nickte wieder.
«Die Zigeunerin ist jetzt ganz vorn, das graue Kleidam Mieder aufgerissen. Ein Ärmel hängt herab, aber ihr Haar bedeckt die Schulter. Feines Haar, langes Haar war’s wohl mal. Jetzt ist’s verdreckt und wirr, hängt in langen Strähnen. Zwei Stellen auf dem Kopf sind kahl, als hätte dort jemand hingelangt. Ihre Augen rollen vor Angst wie Murmeln im Kopf, sind ganz verschwollen. Grind klebt am Mund, und aus einer Wunde am Kinn suppt Eiter. Kein schöner Anblick, Kind, lass bloß den Blick unten. Über und über mit faulem, stinkendem Ei bekleckert. Sogar über die Stirn läuft ihr was. Sie sollte es wegblinzeln mit den Augen, aber das geht wohl nicht, dick und blau, wie die Ränder sind. Barfuß ist sie, die Zehen ganz blau gefroren und mit verschorften Wunden daran. Grad eben drängelt sich ein ehrbares Weib heran mit schwangerem Leib und spuckt ihr ins Gesicht, neben das Ei. Die Zigeunerin kann’s nicht wegwischen, ihre Hände sind gebunden. Aber Blicke schleudert sie, alle Wetter, da wird einem ganz bange ums eigene Seelenheil.»
Rosamund stand starr und stumm.
«Jetzt verliest der Schultheiß das Urteil, leckt sich allenthalben über die Lippen dabei, als wollt er die Hexe fressen. Seine Stimme ist sämig wie Honig.
Tod der Zauberin durch Verbrennen. Hörst du die Menge jubeln, Kind? Die Männer werfen ihre Mützen in die Luft, die Frauen recken die Fäuste, sie können sich gar nicht lassen vor Freude darüber, dass das Ehrbare gesiegt hat. Sie haben recht, haben’s sowieso gleich und schon immer gewusst, und jetzt ist’s bewiesen, der Schultheiß hat gesprochen. Ganz vorn, die beiden Zeuginnen,sie liegen sich in den Armen und weinen vor Glück. Nur ein paar Karmeliterinnen beten still.
Der Henker muss sich mit breiter Brust vor die Malefikantin stellen, sonst schlägt die Menge sie gleich tot,
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