Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
die Arbeit zu viel. Neben dem Gesellen Dietrich gab es nun einen Lehrjungen, der Falk hieß. Und Rosamund, die sich wünschte, Falknerin zu sein. Falks Falknerin, die er mit Blicken beschenkte und mit Küssen versengte und für die er Artigkeiten versprengte.
    Sie warf ihm zweifarbige Blicke zu und rieb für ihn die Farben, vor allem aber studierte sie das Buch, das sein größter Reichtum war. Sein Vater, ein anderer Weißbinder aus der Zunft, war in Italien gewesen, in Florenz, und hatte es von dort mitgebracht. In ihm waren viele Bilder und Schautafeln, die das perspektivische Zeichnen erklärten. Falk sollte lernen, was sein Vater nicht konnte, sollte werden, wovon dieser träumte. Aber Falk kannte das Träumen nicht, sondern nahm, was kam.
    Kaum war Falk am Abend aus dem Haus, öffnete Rosamund das Buch, roch an den Seiten, strich über die Blätter, und schon bald kannte sie es, als hätte sie es geschrieben, und hatte auch das Träumen gelernt.
    Sie hatte einen festen Platz in der Werkstatt, war die Gehilfin des Gehilfen, und manchmal, wenn außer ihr niemand mehr da war, probierte sie aus und malte, was sie gesehen hatte.
    Kam Falk am Morgen wieder, stand er manchmal vor seiner Arbeit, den Pinsel im Mund und starrte auf sein Blatt mit den Mustern für den Fries in der guten Stube der Schultheißgattin, als hätte dieser sich über Nacht verwandelt. Aber nie sagte er ein Wort dazu, strich nur manchmal über Rosamunds Hand, wenn sie sich überdem Farbeimer trafen. Und als es wieder Frühling war und Rosamund ihren 18.   Namenstag hinter sich hatte, da lud er sie ein, mit ihm zum Maitanz zu gehen.
    Rosamund freute sich so darüber, dass sie die Werkstatt mit wehenden Röcken verließ, über den Hof rannte und hinein in die Küche. «Mutter», rief sie. «Der Falk nimmt mich mit zum Maientanz. Ich werde mich drehen und wiegen und endlich einmal ein seidenes Kleid tragen und im Haar ein Band und einen Schal um die Schulter. Ich werde die Schuhe mit Spucke zum Glänzen bringen und das Haar mit Essigwasser. Ich werde schön sein, und seine Augen werden leuchten, wenn er mich bei den Hüften packt und in die Höhe wirft.»
    Die Mutter presste die schmalen Lippen aufeinander und bog den Mund nach unten. Die Suppe, in der sie rührte, schwappte ins Küchenfeuer und verzischte.
    Am Tisch saß die Magd und flennte beim Zwiebelschneiden. Jetzt ließ sie das Messer sinken, zog den Rotz hoch und wartete neugierig auf die Antwort der Mutter.
    Ursula, das Urselchen, mühte sich am anderen Ende des Tisches. Mit langen, nassen Haaren stand sie da und drehte sich heiße Hufnägel hinein, damit sich das Haar lockte und ringelte. Jetzt fauchte sie die Magd an: «Glotz nicht, schüre die Glut im Kohlebecken, oder sollen mir die Hufnägel verkühlen?»
    Die Mutter stieß die Luft zwischen den Zähnen hervor. «Du zum Tanz? Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr.»
    Rosamund ließ nicht locker. «Aber warum denn nicht? Ich bin achtzehn Jahre alt, beinahe schon zu alt. Willst du mich nicht unter die Haube kriegen?»
    Die Mutter fuhr mit dem Holzlöffel in der Hand herum. Sie zeigte auf das Urselchen, das quiekte, weil der Nagel zu heiß geworden war. «Erst, wenn die da mannbar ist. Eine wie du heiratet nicht. Wird schwer genug sein, dich irgendwo unterzukriegen, wenn wir nicht mehr sind. Den Tanz schlag dir aus dem Kopf. Solche wie du sind dafür nicht gemacht. Außerdem ist’s dir verboten, das Haus und die Werkstatt zu verlassen. Wie oft habe ich dir das gepredigt!»
    Rosamund senkte den Blick, knüllte ihre Hände in den Stoff des Malerkittels. «Eine wie ich», flüsterte sie. «Alle Welt weiß, was ich für eine bin, nur ich weiß es nicht.»
    «Dann sage ich es dir noch einmal!» Die Mutter war dicht an Rosamund herangetreten, etwas vom Suppenlöffel tropfte auf ihren Holzschuh. «Ein Teufelsmädchen bist du, eine, die Unglück bringt, wo sie geht und steht und schaut und spricht. Erst letzte Woche hast du deinen Kopf zum Hoftor hinausgesteckt. Und was ist geschehen? Der Nachbarin sind die Blumen im Fensterbeet verdorrt, obwohl es geregnet hat, jawohl. Ein Gottes Glück nur, dass niemand dich gesehen hat. Es gibt sowieso noch viele, die sich an die Zigeunerin erinnern und daran, dass ausgerechnet sie deine Amme war.»
    Das Urselchen, den Kopf voller Hufnägel, stemmte die Fäuste in die Seiten und lächelte schiefmäulig. «Sag, der Falk war’s, der dich mitnehmen wollte zum Tanz? Mit ihmwolltest du geputzt herumwirbeln im

Weitere Kostenlose Bücher