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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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normaler Sterblicher ist, sich immer voller Schuld fühlt. Und wie kann ein Mann sein Weib, das eine Heilige ist, zur Räson bringen? Er schlägt sie normalerweise, wenn sie nicht pariert. So ist’s der Brauch. Kann man aber eine Heilige schlagen?»
    Rosamund wusste nicht, ob sie lachen oder heulen sollte. «Ich kriege keinen Mann», prustete, schluchzte sie, «weil er mich nicht schlagen kann wie ein normales Weib?»
    Sie sprang von ihrem Hocker auf. «Das glaube ich nicht. So ist die Welt nicht.»
    Der Vater und Dietrich sahen sich schweigend an. «Die Welt vielleicht nicht, aber die Männer hier sind so. Sie wünschen sich etwas zum Bewundern. Dafür stehst du nun. Sie verbeugen sich, werfen ihre Mützen in die Luft. Aber zu Hause, da wollen sie der Herr sein. Da soll gemacht werden, was sie sagen, da soll das Gesetz herrschen, welches sie erlassen haben. Das Haupt der Familie wollen sie sein, wie der Papst das Haupt unserer Kirche ist. Unfehlbar. Das Oberhaupt, verstehst du, Mädchen, frei von Fehl und Tadel? Eine Heilige, wie soll man mit so einer umgehen? Mit einer, die, wenn es drauf ankommt, mehr recht hat. Und wie soll man mit so einer leben? Darf man Zoten reißen in ihrer Gegenwart? Fluchen? Saufen? Überdie Nachbarn sich das Maul zerfetzen? Sich den Sack kratzen? Darf man sie besteigen bei Nacht?»
    «Dietrich, es reicht», mischte sich der Vater ein.
    «Ich sage nur, was alle denken», verteidigte sich der Geselle.
    «Lass ihn. Einer muss es mir sagen. Verstehen muss ich es, sonst bringt es Leid. Als ich eine Teufelin war, war ich keine richtige Frau, und jetzt bin ich es auch nicht. So ist es doch, nicht wahr? Und deshalb will mich keiner.»
    «Na, na. Nicht alle Männer sind so. Du siehst ja, der Falk hat den Mut. Es werden noch andere kommen, bist ja gerade erst nach Hause gekehrt. Lass dir Zeit, schon bald treiben die Leute eine andere Sau durch die Gassen.»

Fünfzehntes Kapitel
    Der Glaubenskrieg im Land ging weiter, auch Frankfurt wurde davon nicht verschont. Die Stadtkassen waren ausgeplündert, denn jede der durchziehenden Truppen verlangte Getreide, Gulden und Gold. Selbst der Ratsschatz blieb nicht verschont. Die Kirchen wechselten ihre Herren schneller, als die Altarkerzen abbrennen konnten. Der Dom, die Liebfrauen- und die Leonhardskirche wurden evangelisch und kurz darauf der katholischen Kirche zurückgegeben. Jeden Sonntag eilten die Gläubigen auf der Suche nach der richtigen Kirche orientierungslos durch die Stadt, mussten am Eingang erst einmal nachfragen, und so manch Neugläubiger saß plötzlich im falschen Gotteshaus. Schließlich beschloss der Rat, die Evangelischen bekämen die Barfüßerkirche. So hatte das sonntägliche Hin- und Hergerenne der Gläubigen erst einmal ein Ende.
    Die Hoffmanns aber, stur, wie sie waren, bemerkten nicht, dass in ihrer Kirche an so manchem Sonntag ein Lutherischer auf der Kanzel gestanden hatte. Sie hörten ohnehin nicht zu. Und der Ursula war es gleichgültig, was der Mann da vorn predigte, sie war gegen alles Unheil gewappnet, jetzt, da ihre Schwester eine Heilige war.
    Das Urselchen saß sorglos und unbehelligt von Glaubensdingen den ganzen Tag über einer Liste. Schon gestern saß sie so, zerraufte sich das Haar, zerriss Papier, holte neues, begann von vorn.
    «Was machst du da?», fragte Rosamund. «Willst du mir nicht sagen, welche Namen nun endgültig auf die Tischkarten sollen? Ich bin mit den Girlanden schon längst fertig.»
    Das Urselchen hob den Kopf. «Es ist alles so schwierig», teilte sie mit. «So eine Verlobung ist ein großes Ereignis, die halbe Stadt wird davon sprechen. Alles muss gut bedacht werden.»
    «Was meinst du?», wollte Rosamund wissen, die sich unter einer Verlobung einen Gratulationschor und ein festliches Essen im Kreise von Verwandten und Freunden vorgestellt hatte und nichts weiter sonst.
    «Nun, wer neben wem zu sitzen kommt, zum Beispiel.»
    «Was ist daran wichtig? Man kann sich auch über den Tisch hinweg unterhalten, kann die Plätze wechseln nach dem Hauptgang.»
    «Das schon, aber erst sitzen sie so, wie ich es will. Und da ist Vorsicht geboten. Schau, Rosamund, die Großmutter vom Falk. Die erinnert sich noch genau daran, dass du einst das Mädchen mit den Teufelsaugen warst. Ich kann sie unmöglich neben den Patrizier Petzold setzen, den ich als Taufpaten für unser erstes Kind im Auge habe. Stell dir nur vor, sie redet über Dinge, die längst vergangen sind.»
    «Gut. Dann setz sie

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