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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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heiraten», gab Rosamund bekannt.
    Der Alten blieb der Mund offen. «Warum nicht? Ich habe gedacht, es wäre so gut wie beschlossen. Und du zierst dich nur, um ihn zu strafen für damals.»
    Rosamund schüttelte den Kopf. «Ich strafe niemanden. Aber heiraten will ich keinen, der mich bei der erstbesten Gelegenheit verrät.»
    Die Alte hob den Zeigefinger, fuchtelte Rosamund damit vor der Nase herum, schnappte nach Luft. «Das   … das   … das ist nicht wahr.»
    «So?», fragte Rosamund, und konnte nicht verhehlen, dass es ihr Genugtuung bereitete, die Alte sprachlos zu sehen.
    «Wie war es dann?», bohrte sie weiter. «Sagt es mir, denn Ihr habt ja einen großen Teil beigetragen.»
    Da stand die Alte auf, warf Rosamund einen wütenden Blick zu und verließ die Verlobungstafel.
    Rosamund blieb am Tisch sitzen, die Hände fromm im Schoß verschränkt, und dachte: Ich habe mich verändert. Ich bin eine andere geworden. Früher dachte ich, ichwäre vielleicht doch des Teufels Ausgeburt, war mir meiner niemals sicher. Zwar hatte ich nie etwas getan, doch die anderen gaben mir die Schuld. Schwer für ein Kind, der Schuldzuweisung zu widersprechen.
    In Mariahilf war ich einfach irgendeine. Nur die Tracht hat mir noch gefehlt. Nach dem Brand wurde ich eine Heilige. Nicht ich war es, die das behauptet hat, die Leute haben mich dazu gemacht. Und sie haben nie gefragt, ob ich das auch möchte. Also bin ich immer die gewesen, die andere sich für mich ausgedacht haben. Das will ich nicht mehr. Niemals mehr. Einfach nur Rosamund sein.
    Urselchens Quietschen schreckte sie aus ihren Gedanken. Die Schwester thronte in der Mitte der Tafel. Das Haar hatte sie sich mit dem Lockenholz in Engelsringelchen gelegt, ihre Wangen waren so rot wie Weihnachtsäpfel, und die Lippen glänzten feucht. Urselchens Blicke huschten wie Ameisen über den Tisch, ihre Hand aber hielt sie unter dem Tafeltuch. Ihr Verlobter Michael saß rotwangig neben ihr und versuchte sich an einem unbeteiligten Gesicht. Doch seine Augen, die glänzten wie Eiszapfen in der Sonne, verrieten ihn. Auch er hatte die Hand unter dem Tisch, wippte hin und her und grinste verschämt, wenn die Ursula aufquiekte.
    Rosamund ließ ihr Mundtuch zu Boden fallen, kroch sogleich unter den Tisch, um zu schauen, was das Urselchen zum Quietschen brachte. Und siehe da! Die kleine Schwester hatte den Rock des neuen Kleides bis weit über die Knie geschoben und die Beine gespreizt. Und der VogtMichael hatte einen Finger in Urselchens Grotte gesteckt und bewegte ihn hin und her. Der kleine, rotblondgelockte Engel, dachte Rosamund. Sie hat es faustdick hinter den Ohren. Dann schnappte sie sich ihr Mundtuch und tauchte wieder über dem Tischtuch auf.
    Ich möchte auch einmal so an einer Festtafel sitzen, Mittelpunkt sein und umgeben von Leuten, die mir Glück wünschen müssen. Einen Mann heiraten, Kinder kriegen, kleine Kinder, die vertrauensvoll ihre Hände nach mir ausstrecken. Ja, das möchte ich gern. Eine Familie haben, einen Ort, wo ich hingehöre, ein richtiges Zuhause. Rosamund seufzte, dann ballte sich ihre rechte Hand zur Faust. Ich bin keine Heilige, will auch keine mehr in den Augen der anderen sein. Ihr habt mich dazu gemacht, aber jetzt ist es genug damit. Ab sofort mache ich mich selbst. Zeigen werde ich Euch, was es mit der Heiligen auf sich hat. Wundern werdet Ihr Euch. Und wenn das vorbei ist, dann suche ich mir einen Mann.
    Jetzt wurde die Festtafel aufgehoben. Die Bediensteten schoben die Stühle an die Wände, schleppten keuchend den schweren Tisch hinaus. Unten im Haus drängten sich schon die Musikanten, die Lisbeth bestellt hatte: Eine Fidel, ein Schellenkranz, zwei Flöten, ein Mohrenpäuklein und ein Zimbalon.
    Die Männer hatten die Halstücher gelockert und die Wämse aufgeknöpft. Die Frauen bewedelten sich mit Fächern, und so manch eine musste schon jetzt einen tiefen Atemzug aus ihrem Riechfläschchen nehmen.
    Rosamund saß neben einem Fenster zwischen denalten Weibern, die lautstark das Geschehen kommentierten. Sie fühlte sich fehl am Platz, hätte gern mitgetan bei Tanz und Gesang, aber niemand hatte ihr je gezeigt, wie man die Füße zu setzen hatte, wie man sich drehte, sodass der Rock aufschwang wie ein Teller. Und niemals hatte ihr jemand beigebracht, wie man die Augen zu verdrehen hatte und wie man Quieken musste, sobald eine vorwitzige Hand sich dem Busen oder dem Hintern näherte.
    Die Stimmung stieg, schon bald stampften die Zunftmänner die

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