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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Viel zu erhaben über Kleider und Mieder.»
    Rosamund stand auf, schüttelte sich ein wenig. «Nein, ich bin keine Heilige und nicht erhaben über diese Dinge. Ich neide dem Urselchen ihr Fest genau wie du.»
    Dann ging sie.
    In der Werkstatt rieb sie Farben, rührte in Töpfen, gab Eiklar und Leinöl hinein, rührte. Früher hatte sie das Rühren immer beruhigt. Jetzt rührte sie, um die Wut zu überdecken. Das Urselchen nahm sich, was sie wollte. Fragte nie, ob es ihr auch zustand. Nie gab sie etwas zurück. Hätte das Urselchen der Mutter gesagt, dass sie sie liebt, dann hätte Lisbeth keinen Grund, ihr Mieder mit den Zähnen aufzureißen. Hätte sie mir den Platz zu ihrer Rechten angeboten, dann würde ich voller Freude auf das Fest warten. So aber werde ich gewiss neben die Großmutter von Falk zu sitzen kommen. Nein, dachte Rosamund, ich bin keine Heilige. Ich habe nur gelernt, den Mund zu halten.
     
    Das Urselchen trug neben dem schönen Kleid an ihrem Verlobungstag einen schmallippigen Mund zur Schau. Immer wieder blickte sie auf die Mutter, die mit ihremübergroßen Mieder protzte und sich sogar eine Blume in die Brustritze geklemmt hatte, die alle Blicke auf sich zog.
    Der Mietknecht und die Magd hatten im Salon der Mutter eine große Tafel aufgestellt und tischten auf, was das Haus zu bieten hatte. Es gab zuerst eine kräftige Rindsbrühe, in der die Ochsenaugen schwammen, danach Flusskrebse aus dem Main in einer Tunke aus Sahne und Minze, in die die Köchin reichlich Pfeffer gestreut hatte. Dann wurde das Fleisch aufgetragen: gesottene Kalbsscheiben in Weinsoße, männerarmdicke Rollbraten vom Schwein, zierliche Stubenküken, eine Lammkeule und ein Rehrücken, der mit Speck gespickt war. Dazu Gemüse aller Art wie Bohnen und Erbsen, Möhren und Kohl und als Delikatesse ein Schüsselchen eingelegter Artischockenherzen, die extra aus dem Italienischen herbeigeschafft worden waren. Duftende Brote mit verschiedenen Füllungen standen in Körben dabei, Butterfässchen und Salztöpfchen. Der Wein kam aus dem Rheingau und aus dem Elsässischen, das Würzbier vom besten Gastwirt der Stadt. Lisbeth hatte verkündet, dass den Frankfurtern die Augen übergehen würden bei all der Pracht. An nichts war gespart worden. Sogar Rosenblätter bedeckten den Boden, und überall neben den Plätzen standen kleine, mit Zitronenwasser gefüllte Zinnschälchen, um die fettigen Finger einzutauchen.
    Als die ersten Gäste eintrafen, schwand Lisbeths gute Laune. Das Weib des Gesellen Dietrich hatte nur ihr Sonntagskirchenkleid angezogen, und er selbst sah auch nichtviel besser aus. Sein Festtagswams war an den Ellbogen abgeschabt, ein vornehmes Tüchlein fehlte ganz und gar.
    Die Meister der Zunft trugen zwar das Wappen der Weißbinder zur Schau, aber auch ihnen fehlte es an Vornehmheit. Der Fischgang war noch nicht abgetragen, da grölten sie schon ihre Zunftlieder und brachten zotige Sprüche. «Wenn der Dachstuhl brennt, ist der Keller feucht», schrie einer, deutete auf Urselchens rötliches Haar und leckte sich die Lippen, während die anderen sich auf die Schenkel schlugen.
    Und ein anderer zeigte gar mit dem Finger auf den Bräutigam und setzte nach: «Wie die Nase des Mannes, so sein Johannes.» Da Michael eine eher kleine Nase hatte, lief er rot an vor Wut, doch tun konnte er nichts, denn die Sprüche gehörten zum Brauch. Schon packte einer den Vater am Ärmel, zerrte ihn zum Brautpaar und schrie mit Quäkstimme: «Gewährt mir die Bitte in Eurem Bunde der Dritte.» Die Männer lachten mit zurückgeworfenen Köpfen und hieben auf Tische und Schenkel, die Frauen kicherten in die hohle Hand und warfen neugierige Blicke auf Lisbeth, deren Lächeln im Gesicht festgefroren war.
    Rosamund saß wahrhaftig neben der Falk’schen Großmutter und betrachtete die Leute, die so anders waren, als Gott es ihnen vorschrieb, die sich einen Teufel um Gebote kümmerten und hemmungslos der Völlerei, des Neides, des Hochmuts und der vier anderen Todsünden frönten.
    «Na, Kind», schnarrte die Großmutter neben ihr. «Hastdu dich schon entschieden? Ich frage, weil der Falk es wissen will.»
    Rosamund sah die alte Frau an. Die kleinen Augen, die zwischen den Runzeln hervorfunkelten, den zahnlosen Mund, die eingefallenen Lippen. «Würde schon gern noch mein Urenkelchen auf dem Schoß schaukeln», fügte die Alte an und kicherte. «An Zuneigung mangelt es bei euch ja nicht. Habt schon als Kinder verliebt getan.»
    «Ich werde den Falk nicht

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