Das Mädchen mit den Teufelsaugen
stob er aus der Werkstatt, während Rosamund aus ihrer Kammer kam.
«Und?», fragte der Vater. «Was hast du für einen Eindruck?»
«Wenn ihr mich fragt», schaltete sich der Dietrich ein, «so finde ich, sie hat es gut getroffen, unsere Rosamund. Er scheint ein ehrlicher Kerl zu sein. Einer, auf den man bauen kann.»
Eine Stunde später klopfte es. Matteo trat ein, hielt eine Rose in der Hand, in der anderen einen kleinen goldenen Schlüssel, den man als Anhänger an einer Kette tragen konnte.
«Ich überreiche Euch den Schlüssel zu meinem Herzen», sagte er. «Und ich wäre der glücklichste Mann auf der Welt, wenn Ihr, schöne Rosamund, die Gaben annehmen würdet.»
Rosamund traten Tränen in die Augen. Sein Blick war so offen und ehrlich, dass sie es wagte, ihm zu glauben.
«Ja», erwiderte Rosamund. «Ich möchte den Schlüssel zu Eurem Herzen gern annehmen.»
Matteo jauchzte auf, umarmte seine Zukünftige etwas zögerlich. «Darf ich Eure Stirne küssen?»
Rosamund nickte, und schon spürte sie warme, weiche Lippen unter ihrem Haaransatz, sanft wie Schmetterlingsflügel, aber gleichzeitig so heiß, dass sich ihr Blut erhitzte.
Neunzehntes Kapitel
Schon zwei Wochen später fand die Verlobung statt, allerdings in aller Stille, weil die Zeit für die Vorbereitungen fehlte. Rosamund bedauerte dies. Einmal hatte auch sie im Mittelpunkt stehen wollen. Doch sie hatte dazugelernt. Urselchens Unglück war ihr Glück gewesen. Matteo hatte ihr gefallen. Beim ersten Blick schon. Doch sie hätte niemals gewagt, ihn auf sich aufmerksam zu machen. Er war, Rosamund war sich dessen bewusst, für sie die letzte Gelegenheit, ein normales bürgerliches Leben mit Familie und Kindern zu führen.
Zudem hatte sie befürchtet, dass Michael, sobald er hier im Haus das Zepter schwang, alles daransetzen würde, Rosamund loszuwerden. Für einen Menschen wie Michael war eine Heilige eine Provokation.
Ihre Heirat mit Matteo war das, was Rosamund sich gewünscht hatte. Und nun hatte sie bekommen, was sie wollte, weil das Urselchen Pech gehabt hatte. Doch nur Rosamund wusste, dass dies so war. Der Mutter und der Schwester gegenüber gebärdete sie sich, als hätte sie ein großes Opfer dargebracht. Und das Urselchen wurde nicht müde, Rosamund ihre Dankbarkeit zu bezeugen.
«Möchtest du vielleicht mein Verlobungskleid haben?»,fragte das Urselchen eifrig. «Weißt du, mir passt es nicht mehr. Vielleicht sogar nie mehr. Kinder ruinieren die Figur. Ich schenke es dir.»
Und Rosamund nahm das Kleid wie etwas, das ihr zustand, ließ es ein wenig ändern und färben und besaß bald das schönste Gewand, dass sie je gehabt hatte. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie nicht darauf bedacht, es den anderen recht zu machen, sondern war einzig für sich da. Und hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei.
Die Hochzeit wurde zur Doppelhochzeit gemacht, damit die ältere Braut mindestens die Hälfte des Augenmerks auf sich zog und das Bäuchlein der Ursula nicht so schwer ins Gewicht fiel. Sie trug ein Kleid nach griechischem Stil, um die Schande zu verdecken, während Rosamund in einem enggeschnürten Mieder prunkte. Die Feier wurde in aller Stille abgehalten. Das Urselchen schmollte, doch als sie begriff, dass ihr Bauch die Ursache war, schenkte sie der Rosamund eine Kette.
Im Dezember, kurz vor Weihnachten, gebar das Urselchen einen Sohn. Michael übernahm die Werkstatt, schob den Vater aufs Altenteil, und Rosamund bezog ihr erstes Haus.
Der Vater hatte sich nicht lumpen lassen, und die Ursula war von der Mutter dazu verdonnert worden, ihr die Hälfte der Aussteuer zu überlassen. Und so zog Rosamund mit Truhen voller Leinenzeug, Bett- und Tischwäsche, mit Mundtüchern, Handtüchern und allerlei Hausrat in ihr kleines Haus, das sich nur drei Gebäude weiter in der Weißbindergasse befand.
Die Deutschherren schickten im Namen der Benediktiner aus Dankbarkeit für den geretteten Schatz von Mariahilf sechs Silberteller. Das war auch die letzte Reminiszenz an die Heilige von Mariahilf. Vor dem Haus lagen keine Opfergaben mehr. Die Mägde bekreuzigten sich nicht mehr bei Rosamunds Anblick, sondern blickten ihr frech ins Gesicht. Und die Bettler ließen von ihr ab, sobald sie ein Kupferstück erbeutet hatten. Nur in der Kirche noch wurde Rosamund hin und wieder von Frauen angesprochen und um einen Rat für den lendenlahmen Ehemann oder die renitente Tochter gebeten. Mit ihrer Heiligkeit aber war es vorbei.
Rosamund musste
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