Das Mädchen mit den Teufelsaugen
lachen, als sie begriff, dass die Frankfurter dies ähnlich sahen. Eine Heilige, die heiratete wie ein normales Weib, die das Bett mit dem ihren teilte und die Dreckwäsche der Familie wusch, das war keine Heilige mehr.
Dann begann der Alltag, und dieser Alltag war nicht besser und nicht schlechter als die Alltage, die sie vorher kennengelernt hatte. Nur eines war anders und ungewohnt: Sie war die Herrin, sie bestimmte, was gemacht wurde.
Am Morgen stand Rosamund beim ersten Hahnenschrei auf. Während die Magd sich um das Wasser kümmerte und den Herd anheizte, um darauf die Grütze zu kochen, ging Rosamund in den kleinen Hof, der sich hinter dem Haus befand, und gab den Hühnern ihr Futter.
Dann wusch sie sich und weckte Matteo, sobald derDuft gekochter Honigmilch durch das Haus zog. Nach dem Essen besprach sie mit der Magd Ulla die Aufgaben des Tages, gab ihr Geld für die Markteinkäufe und begab sich dann in die Werkstatt.
Matteo war noch immer nicht Mitglied der Zunft; Michael Vogt, sein Schwager, hatte dies verhindert. Als neuer Zunftmeister hatte er die Macht. Doch Matteo störte dies nicht mehr besonders.
Sein Talent hatte sich herumgesprochen. Matteo wurde nicht als Weißbinder verpflichtet, sondern um die Porträts der Reichen zu malen, die sich einen echten Grünewald, Ratgeb, Cranach oder Dürer nicht leisten konnten, und das war das Gros der Frankfurter Bevölkerung.
An Rosamunds Aufgaben in der Werkstatt hatte sich trotzdem nicht viel geändert. Sie rieb die Wurzeln alter Weinstöcke, versetzte sie mit Eiklar und Leinöl, um eine glänzende schwarze Farbe herzustellen. Sie zerrieb Läuse, weil die das schönste Rot in sich bargen, und sie tränkte Bleiplatten in Pferdeurin, den sie eimerweise vom benachbarten Pferdeschlachter bekam, und vergrub diese in der Mitte des Misthaufens, bis sich die Platten mit einer weißen Schicht bedeckt hatten, aus der sich ein wunderbares Bleiweiß herstellen ließ.
Sie grundierte auf Rahmen gespannte Leinwände und überzog die fertigen Bilder mit Firnis. Sie tat diese Arbeit gern und sang oft dabei.
Matteo, der vor der Staffelei stand und sorgsam und selbstvergessen aus Farben Gesichter und Figuren machte, lächelte und pfiff zu Rosamunds Gesang. Manchmallegte er auch den Pinsel zurück auf die Palette, trat zu seiner Frau, fasste sie um die Hüften und flüsterte in ihr Ohr: «Du bist mein Glück. Mein kleines, starkes Teufelsaugenglück.»
Dann musste Rosamund noch breiter lächeln. Sie lehnte sich einen Augenblick an seine Brust, ließ sich mit geschlossenen Augen streicheln, stieß sich ab von ihm und sagte mit einer gewissen Strenge: «Wir müssen arbeiten, Matteo. Deshalb sind wir hier.»
Und er lachte und ließ sie.
Manchmal kamen Frauen, die Matteo nackt malte. Dann verließ Rosamund die Werkstatt, begab sich in ihre Stube und nahm den Stickrahmen zur Hand. Doch bald wurde es ihr langweilig, und wenn die Magd beschäftigt war, wagte sie sich in die Schlafkammer vor den Spiegel, zog sich aus und zeichnete mit dem Rötel, was sie im Spiegel sah.
Wenn sie fertig war, verbarg sie die Blätter in der Wäschetruhe.
Einmal fragte Matteo sie: «Rosamund, dich würde ich am allerliebsten malen. Wagst du es?»
Rosamund nickte, ging vor ihrem Mann in die Werkstatt, legte den Riegel vor, heizte ein Kohlebecken und zog sich ohne Scham die Kleider aus. Nackt und bloß stand sie vor ihrem Mann. Der starrte auf die Schatten, die das Feuer im Kohlebecken auf ihren Leib malte. «Du siehst aus, als wärest du ganz aus Gold», raunte er. Dann nahm er den Pinsel, begann zu malen, beinahe ohne aufzusehen. Er sprach kein Wort dabei, er pfiff und sang nicht, undRosamund schien es, als wäre er ganz woanders, ganz versunken in das Bild, das er malte. Sie stand still, atmete nur leicht und sah zu, wie sich aus den Umrissen langsam ein goldener Leib formte, als ob er eine goldene Vase oder eine Monstranz sei.
Erst als die Flammen verloschen, der Abend in die Nacht übergegangen war, hielt Matteo inne. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Er legte den Arm um seine nackte Frau, sah auf sein Bild, die Augen halb zusammengekniffen, und flüsterte: «Das ist das schönste Bild, das ich je gemalt habe.»
Und Rosamund erwiderte: «Ja, es ist schön. Es ist so wunderschön, weil es dein Wesen zeigt. Es zeigt, wie du mich liebst.»
Sie zog sich an, ihr war kalt, und dachte dabei in einem fort: Für ihn bin ich Gold. Pures Gold. Und als sie das gedacht hatte, spürte sie die
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