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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Kälte nicht mehr.
     
    Ein- oder zweimal in der Woche besuchte sie ihre Schwester und ihre Eltern. Der Vater saß in seinem Kämmerchen und zeichnete; die Mutter machte sich im Haus nützlich, wiegte das Kind, beschimpfte die Magd, sah bedrückt ihrem Leben hinterher.
    Das Urselchen war aufgegangen, in den Hüften so breit wie ein Waschzuber, die Brüste wie Kürbisse, die Schenkel wie griechische Säulen, stark genug, ganze Häuser zu stützen.
    Sie hatte Mühe, aufzustehen und aus dem Haus zu gehen, und so hing sie begierig an Rosamunds Lippen.
    «Er hat mich gemalt. Nackt, wie mich Gott geschaffen hat», erzählte die Schwester.
    Ursula verzog den Mund. «Warst du dir da nicht zu schade? Nackt wie ein Kebsweib?»
    «Wieso? Er ist doch mein Mann. Er weiß, wie ich nackt aussehe.»
    «Löscht ihr nicht das Licht, wenn ihr euch zu Bett begebt?»
    «Aber nein. Wieso auch?» Rosamund schaute verwundert.
    Ursulas Lippen hingen wie eine schmale Mondsichel nach unten. «Mich hätte er malen sollen, der Matteo. Dann hätten wir jetzt was, was in der Schlafkammer hängt.» Ihr Ton war vorwurfsvoll.
    «Du warst schwanger», erwiderte Rosamund.
    Ursula machte eine wegwerfende Handbewegung. «Na und? Er ist ein Künstler, hätte mir den Bauch wegmalen können, wenn du dich schon geweigert hast, mir zu Hilfe zu kommen.»
    «Du hast doch, was du willst», erwiderte Rosamund.
    Das Urselchen schwieg, fragte erst nach einer Weile. «Wie machst du es? Sag, wie stellst du es an?»
    «Was?»
    «Wie kriegst du ihn ins Bett, den deinen?»
    Rosamund wunderte sich, dachte kurz an die leidenschaftlichen Zusammenkünfte ihrer Schwester und Michaels im Garten. «Ich muss nichts tun. Meist bürste ich mir nur das Haar, sitze auf dem Bettrand dabei, im Nachtgewand.» Sie kicherte leise. «Manchmal auch ohne.»
    «Das reicht?», fragte das Urselchen.
    Rosamund nickte. «Ist es anders bei dir?»
    Sie sah Tränen in den Augen ihrer Schwester glitzern. «Ja, bei mir ist es anders. Seit wir den kleinen Kaspar haben, rührt er mich kaum noch an.»
    «Hast du ihn gefragt, warum?»
    Ursula nickte, wischte sich die Träne mit dem Kleidärmel von der Wange. «Er sagt, ich hätte ihn betrogen. Sein guter Ruf, alles wäre hin. Gefangen hätte ich ihn mit Spießen und mit Stangen. Jetzt hockt er hier, und seine Jugend verblüht.»
    Rosamund schob die Lippen vor. «Er hat Matteos Aufnahme in die Zunft verweigert», sagte sie. «Obwohl er es gelobt hatte.»
    Das Urselchen zuckte mit den Achseln. «Was soll’s? Ihr kommt auch so klar, lebt glücklich und zufrieden, während wir hier verdorren.»
    Sie zog die Augenbrauen zusammen, sodass über der Nasenwurzel eine Falte entstand. «Wie kommt das eigentlich?», fragte sie bitter. «Wie kommt es, dass ihr so glücklich seid, Aufträge in Hülle und Fülle habt und nichts dafür tun müsst?» Sie richtete sich auf. «Kannst du vielleicht doch zaubern? War die Heilige nur ein Schwank von dir? Bist du doch ein Teufelsmädchen?»
    Rosamund lachte. «Hast du tatsächlich jemals geglaubt, ich wäre eine Heilige? Ich könnte zaubern?»
    Urselchen schwieg, doch in ihren Augen stand die Antwort.
    «Nein, Schwester. Ich kann nicht zaubern. Alles, waswir haben, wurde von uns erarbeitet. Alles, verstehst du? Vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang stehen wir in der Werkstatt. Wir haben keine Zeit für anderes als die Arbeit. Selbst den sonntäglichen Kirchgang müssen wir uns abpressen. Und weil das so ist, muss ich jetzt auch gehen. Die Werkstatt wartet.»
     
    «Was denkst du über Kinder?», wollte Matteo am Abend von seiner Frau wissen. «Wie viele hättest du gern?»
    Rosamund lachte. «Wenn sie nach dir kommen, ein ganzes Dutzend.» Als sie sah, dass Matteo nicht mit ihr lachte, wurde sie ernst. «Was ist?», fragte sie.
    «Wir sind schon seit Monaten verheiratet, ein halbes Jahr fast, und du bist noch nicht schwanger.»
    Rosamund zuckte mit den Achseln. Ursula trug den kleinen Kaspar schon auf dem Arm. Und sie?
    «Ich weiß es nicht. Vielleicht dauert es länger bei mir, weil ich die Liebe nicht gewohnt war.»
    Matteo nickte. «Ja, vielleicht ist das so.» Er lächelte sie an, aber Rosamund sah, dass er traurig war.
     
    Eine Woche später ging sie erneut zum Urselchen und ihren Eltern. Doch sie traf nur Lisbeth mit dem greinenden Kaspar im Salon an. «Wo ist meine Schwester?», fragte sie die Mutter.
    Lisbeth wiegte den kleinen Jungen hin und her, doch sie konnte das Kind nicht beruhigen. «Krank ist sie. Und ich

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