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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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wusste, dass er am Hungertuch nagen würde, hätte er Michael zum Feind.
    Bisher hatte der Schwager Matteo verschont. Nur hin und wieder gestichelt und Verleumdungen in die Welt gesetzt. Zum Beispiel die Verbindung des Italieners mit dem Zauberbuch des Trithemius. Matteos Glück war es gewesen, dass niemand das Buch wirklich kannte. Und die wenigen, die es kannten, waren die Mitglieder der Bruderschaft, diesich einen Dreck um den Zunftmeister Michael scherten. Auch Matteo fühlte sich ein wenig geschützt durch die Bruderschaft. Wenn er vorher noch Zweifel gehabt hatte, ob er das Aufnahmeritual wirklich bestehen wollte, so waren diese Zweifel inzwischen gewichen.
    Als er den Kellerbereich der Kirche betrat, wunderte er sich über die Dunkelheit. Die Fackel, die voriges Mal gebrannt hatte, war erloschen und verströmte den Geruch nach verbranntem, kaltem Fett. Nur unter dem Türspalt des Versammlungsraumes drang ein schmaler Lichtstreif hervor.
    Matteo tastete sich langsam vorwärts und hatte Mühe, das weiße Täubchen ruhig zu halten. Endlich hatte er die Tür erreicht und klopfte. Noch bevor seine Hand das Holz erreichte, wurde die Tür aufgerissen.
    Matteo trat ein. Auch hier war es dunkler als sonst. Nur auf dem merkwürdigen Altar brannte eine einzelne Kerze, die ihr Licht auf das Stundenglas warf.
    In einem Halbkreis drum herum saßen Männer, deren Gesichter Matteo nicht erkennen konnte, weil diese unter den großen Kapuzen verborgen waren.
    Der Großmeister und sein Stellvertreter Gronauer standen links und rechts des Altars.
    Matteo war hinter der Tür stehen geblieben und wartete nun. Lange stand er, während sich niemand bewegte. Kein Getuschel, keine Füße scharren. Auch Dittmann und Gronauer rührten sich nicht, standen nur da, die Füße schrittweit auseinander und blickten unverwandt in seine Richtung.
    Die Taube unter Matteos Arm wurde unruhig. Er strich ihr über das Köpfchen, wartete weiter. Er ahnte, dass die Geduldsprobe Teil des Rituals war. Schließlich, Matteo schien es, als wäre das Stundenglas einmal durchgelaufen, winkte der Großmeister ihm zu. «Tretet näher», sprach er.
    Matteo lief nach vorne und blieb vor dem Altar stehen.
    «Bist du, Matteo Catalani, noch immer bereit, ein Mitglied unserer Bruderschaft zu werden?», fragte der Großmeister.
    «Ja. Ich bin bereit.»
    «Bist du auch bereit, dich dem Aufnahmeritual zu unterziehen, ganz gleich, was von dir verlangt wird?»
    Matteo schluckte, die Taube unter seinem Arm begann leise zu gurren. «Ja, dazu bin ich bereit.»
    Der Stellvertreter trat auf Matteo zu, löste die Fesselung an den Taubenflügeln. «Weißt du, wofür diese Taube steht?», fragte er dann.
    «Sie ist ein Sinnbild des Heiligen Geistes.»
    «Töte sie!» Die Anweisung kam unmissverständlich und energisch.
    Ich bin ein Fragender, dachte Matteo. Befehle, die ich nicht verstehe, deren Sinn ich nicht erkenne, führe ich nicht aus.
    Er hatte nicht bemerkt, dass er die Worte laut gesprochen hatte. Nun hörte er die Unruhe unter den Brüdern. Stühle wurden hin und her geschoben, einige tuschelten.
    Der Großmeister nickte. «Das ist dein gutes Recht hierbei uns. Das Töten der Taube ist ein Symbol. Du sollst den Heiligen Geist abtöten, auf dass du frei wirst von ihm und eigene Gedanken entwickeln kannst. Mit diesem Zeichen zeigst du deinen zukünftigen Brüdern, dass du kein Späher der Kirche bist, dich nicht von Symbolen in der Freiheit deiner Gedanken einschränken lässt.»
    «Ich töte ein Symbol, um meine Unabhängigkeit von Symbolen unter Beweis zu stellen?»
    «Das ist richtig, aber nicht die Hauptsache. Du sollst töten, um frei zu sein.»
    Im Raum war es jetzt wieder ganz still. Matteo hielt das Täubchen an seiner Brust, streichelte über das zuckende Köpfchen. Dann, mit einem Ruck, warf er die Taube hoch und ließ sie fliegen. Er sah dem Großmeister direkt in die Augen. «Ich töte keine Symbole. Was kann die Taube dafür, dass sie ein Sinnbild ist.» Er schüttelte den Kopf. «Nein. Ich töte nicht ohne Grund. Keinen Menschen, kein Tier, nicht einmal eine Fliege.»
    Er glaubte, der Großmeister würde ihn packen und vor die Tür werfen, doch der lächelte plötzlich und begann in die Hände zu klatschen. Die anderen Brüder taten es ihm nach. Vereinzelt hörte Matteo sogar Bravorufe.
    Nun trat Gronauer hervor, überreichte Matteo einen Ring, in dessen Siegel eine Sieben prangte. «Du hast das Aufnahmeritual bestanden. Es ist, wie du gesagt hast. Unsere

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