Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
Vom Netzwerk:
war anwesend. Ein großer Krug mit gelbem Tee stand auf dem Tisch, ebenso ein Teller mit Pfannkuchen.
    »Hier ist deine Uhr«, erklärte Tanaquil und übergab sie der Köchin. Sie nahm einen Pfannkuchen und goß sich etwas Tee ein.
    »Na so was. Sie geht ja wieder. Sieh sich das einer an. Was für eine kluge Herrin.« »Muß noch etwas repariert werden?« fragte Tanaquil. In den letzten fünf Jahren, dachte sie, war es diese Tätigkeit gewesen, die sie davor bewahrt hatte, verrückt zu werden.
    Und irgend etwas gab es immer. Doch wie aus purer Bosheit schüttelte die Köchin ihren struppigen Kopf. »Nicht ein einziges Stück. Und diese Puppe, die Ihr für Kissens Kleine nachgesehen habt, ist immer noch reizend, bewegt die Ärmchen und sagt Mama!« »Obwohl sie sich die ganze Zeit emsig bemüht, sie wieder zu zerbrechen«, meldete sich Kissen, die Stickerin, zu Wort.
    »Also gut, wenn noch etwas auftaucht«, sagte Tanaquil leichthin und bemühte sich, geschäftsmäßig zu klingen. Sie fühlte sich niedergeschlagen.
    »Wartet mal«, fuhr die Köchin fort, »würde die Herrin gerne einen Kuchen backen?« Tanaquil kämpfte gegen ein Erröten an. »Nein, danke.« Die Köchin hatte sie, als sie klein war, damit getröstet, sie glasierte Kekse und Kamele aus Ingwerbrot im Ofen machen zu lassen, damit sie sich nicht zu sehr langweilte und einsam fühlte. Aber das war im Augenblick keine Lösung. Sogar eine Reparatur wäre keine Lösung gewesen, obwohl das schon etwas weitergeholfen hätte. »Bin dann wieder weg«, erklärte Tanaquil vage.
    Als sie die Küchentür hinter sich schloß, hörte sie die Köchin zu Kissen sagen: »Madam sollte wirklich etwas mit diesem Mädchen unternehmen, es ist pure Verschwendung.«
    Verschwendung, dachte Tanaquil, als sie die Treppen auf ihrem Rückweg von der Küche wieder hochstieg ich bin verschwendet worden. Und sie brüllte eine dicke Ratte an, die lautlos die Stufen herunterglitt. Die Ratten hatten sich nie mit der magischen Sprechfähigkeit infizieren lassen - zumindest gaben sie sich nicht damit ab. Nichtsdestotrotz wirkte dieses Exemplar beleidigt.
    Tanaquil kletterte wieder in die oberen Etagen der Festung. Es wollte ihr scheinen, als verbringe sie ihre Tage mit nichts anderem, als treppauf, treppab durch dieses Gebäudelabyrinth zu laufen. Sie erreichte einen der unteren Zinnenkränze, wo der Hauptmann der Soldaten seine Wohnung in einem der Gefechtstürme hatte. Tatsächlich befand er sich mit vier seiner Männer auf dem Wehrgang, wo er Holzbälle auf eine Zielscheibe rollte.
    »Es ist die junge Herrin«, bemerkte einer der Soldaten.
    Sie nahmen alle Haltung an und grüßten sie.
    Der Hauptmann bot ihr seinen Bierkrug an, aber sie lehnte dankend ab.
    »Nichts zum Reparieren«, setzte der Hauptmann an. »Ihr habt vielleicht gehört, wie letzte Woche die Kanone losging — Borrik dachte, er sehe eine Armee auf die Festung zukommen, doch es war natürlich nur ein Sandsturm. Aber trotzdem, die Maschine hat funktioniert, daß es eine Wonne war, dank dieses Scharniers, das Ihr angebracht hattet.« »Oh«, machte Tanaquil. »Und die Armbrüste?«
    »Erstklassig. Sogar Iggels Wurfmesser funktioniert, nachdem Ihr die Balance justiert habt. Ich erwarte jedoch, daß morgen oder übermorgen wieder etwas kaputtgehen wird«, fügte er aufmunternd hinzu.
    Tanaquil fuhr der demütigende Gedanke durch den Kopf, daß die mitfühlenderen der Soldaten ihre Ausrüstungsgegenstände funktionsunfähig machen könnten, um ihr etwas zu tun zu geben.
    »Was für eine Erleichterung«, erklärte sie. »Endlich einmal ein freier Nachmittag!« Und sie schlenderte von dannen.
    Die zweite Freizeitbeschäftigung, der Tanaquil über die Wochen und Monate und Jahre in Jaives Festung nachgegangen war, war das Spazierengehen. Ihre ersten Erinnerungen an Spaziergänge waren, daß ihre Amme — natürlich hatte Jaive nur wenig Zeit für ihr Kind — sie hin und her durch die Gänge mit sich nahm, manchmal sogar bis in den inneren Burghof, der ziemlich groß und mit Orangenbäumen, Weinreben,
    Lorbeerhecken und einer einsamen, angefressenen, nur dreizehn Fuß hohen Palme bepflanzt war. Über die eine Ecke des Hofs erstreckte sich ein ziemlich verwucherter Küchengarten, ein wenig Gras, wo Ziegen angepflockt waren, sowie ein verzierter Steinbrunnen mit einem Steinadler darauf. Hin und wieder veränderte der Adler seine Gestalt, so daß das immer das erste war, wonach die kleine Tanaquil sehen mußte: Einmal hatte er wie

Weitere Kostenlose Bücher