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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Händen liefen.
    Tun wir das nicht alle?
    Nur eine einzige Karawane zog an diesem Tag in Richtung der Östlichen Stadt los.
    Als sie sich dem Sonnenzelt des Karawanenführers am Rand des Basars näherte, sah Tanaquil, daß Gork und seine Männer sich mit den Kamelen und dem Gepäck beschäftigten.
    »Was für ein gescheites Mädchen!« begrüßte sie Gork, ließ all seine Ziermünzen und Ornamente klimpern und klopfte in rascher Folge seinen Stock gegen den Stiefel. »Aber du hast immer noch dieses Tier. Und du bist immer noch wie ein Mann gekleidet. Das ist nicht gut, weißt du.«
    »Damit reist es sich besser«, versetzte Tanaquil mit vorbeugender Freundlichkeit.
    »Was? Immer noch nicht verheiratet?«
    »Oh, du weißt doch, wie das so läuft.«
    Gork wirkte erfreut. »Du willst mit uns in diese östliche Stadt reisen? Das kann ich arrangieren.«
    »Nein, ich fürchte nicht. Aber ich habe mich gefragt, ob wohl einer aus deiner Karawane einen kleinen Umweg machen würde; ich kann ihm eine genaue Wegbeschreibung geben, es ist etwa ein Halbtagesritt. Es handelt sich darum, einen dringenden Brief in einer Festung in der Wüste abzuliefern. Ich werde sehr gut zahlen.« »Wieviel?« Tanaquil, die sorgsam einen kleinen Topas und einen der Rubine gegen Geld eingetauscht hatte, schlug eine vernünftige Summe vor. »Ich werde den Auftrag selbst erledigen. Macht mir keine Mühe. Hast du eine Karte?«
    »Ja, ich habe sie vor nicht ganz einer Stunde zeichnen lassen. Hier.«
    Gork nahm Münzen, Karte und Brief. Er zeigte ihr seine goldene Taschenuhr. »Sie läuft, geht nie falsch. Und du bist nun wohlhabend. Ich nehme an, du bist nicht mehr verlobt?«
    »Unglücklicherweise bin ich es. Ist das nicht nervtötend?«
    Gork grinste. »Bis zum nächsten Mal.«
    Tanaquil ließ sich in der Nähe der Stände der Parfümhersteller nieder und stellte sich vor, wie Gork in all seiner Pracht zur Festung ihrer rothaarigen Mutter hinausritt. Was würde geschehen? Alles war möglich.
    Das Piefel fing an, eine parfümierte Seife zu fressen, und Tanaquil nahm sie ihm weg. Vielleicht würde der Brief Jaive nur ärgern. Er berichtete von ihrer Entscheidung, das Abenteuer zu suchen, und von der perfekten Welt. Er stellte, von Hexe zu Zauberin, eine respektvolle Frage: »Glaubst du, daß das Einhorn dort irgendwelche Probleme mit den Zusatzteilen bekommen wird, die ich für sein Skelett anfertigen mußte, das Kupfer und all die anderen Metalle, die ich hinzugefügt habe? Wird es jetzt immer wegen dieser Teile eine Verbindung zu dieser Erde behalten?« Tanaquil erwähnte das Geschenk der Unverwundbarkeit nicht - es könnte einen hysterischen Anfall bei Jaive auslösen. Jedenfalls konnte auch Tanaquil es noch nicht richtig glauben. Auch von den beiden cremefarbenen Fossilien, die sie sich bei einem Juwelier in der Palmenstraße zu zwei Ohrringen hatte umarbeiten lassen, berichtete sie nichts. Keine Eitelkeit, sondern die vernünftigste aller Entscheidungen. Wer würde sie jetzt noch erkennen? »Mutter, ich muß diese Welt kennenlernen. Später, eines Tages, werde ich zurückkehren. Das verspreche ich. Ich bin nicht mein Vater, bin nicht Zorander. Ich werde dich nicht verlassen ... das heißt, ich werde nicht zulassen, daß du mich davonjagst. Wenn wir uns wiedersehen, werden wir Themen haben, über die wir uns unterhalten können. Es wird aufregend und neuartig sein. Du mußt mir vertrauen, bitte!«
    »Laß diese Seife los!«
    Mit einer eigenen Karte aller Oasen und Brunnen und der Städte der östlichen Wüste machte sich Tanaquil kurz vor Sonnenuntergang auf dem finster dreinblickenden Kamel, das sie drei Tage zuvor erstanden hatte, auf ihren Weg. Es war eine interessante Erfahrung gewesen, auf ihm reiten zu lernen, doch wie die meisten seiner Art besaß das Tier eine entnervende Sturheit. Es schien das Piefel nicht zu hassen. Doch das Piefel klammerte sich auf seinem schwankenden Rücken fest, hoch über den aufgeschnallten Vorräten, und schielte schreckensstarr auf den schlingernden Boden.
    »Wackelt. Hoppelt. Will runter.«
    »Ruhe.«
    Sie verließen die Stadt durch ein großes blaues Tor, mit der Darstellung eines Einhorns geschmückt, die Soldaten soeben emsig zerstörten.
    Die Straße war mit Obelisken und Statuen gesäumt, mit hohen Bäumen und Brunnen mit angeketteten eisernen Schöpfkellen. Einige Karren und Esel wurden auf das Tor zugetrieben, da ihre Besitzer noch vor Tagesende in die Stadt wollten.
    Der Dunst über der Ebene war golden.

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