Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
Vom Netzwerk:
wohl gestattet, Herr, dachte der Klostervorsteher bei sich und humpelte in seinen Sandalen weiter in Richtung Marienkirche, die Hand fest auf die Stelle der braunen Robe gepresst, wo die Schmerzen tobten.
    Schnell eilte Clemens auf die Nordtür der Marienkirche zu und rüttelte dort vergeblich an der verschlossenen Tür. Er unterdrückte einen gotteslästerlichen Fluch. Dann straffte er sich und machte sich auf den Weg entlang der Backsteinmauer um die Kirche. Mühsam grüßte er einen vermummten Fuhrmann, als er am Rathaus einen großen Karren mit Weinfässern umrundete. Glücklicherweise fand der Mönch das Portal zu Sankt Marien trotz früher Stunde schon offen. Er stemmte sein Gewicht gegen die Tür, doch seine Kräfte reichten nicht aus. Mit hohlem Krachen fiel die Tür kaum geöffnet wieder ins Schloss. Er ließ sich gegen das Holz sinken. »Herrgott noch mal!« Doch der Klostervorsteher bereute die Respektlosigkeit sofort und bekreuzigte sich. Clemens, reiß dich zusammen!, ermahnte er sich selbst. Du willst doch nicht in diesem Zustand vor Pater Nikolaus treten!
    Erschrocken zuckte der alte Vorsteher zusammen, als die Tür von innen bewegt wurde. Ein sympathischer Mann mit braunen Haaren und wachen Augen steckte seinen Kopf hinaus. Als er den Ordensmann sah, trat er vor die Tür.
    »Der Herr sei mit Euch und Eurem Tagwerk«, grüßte Clemens gepresst.
    »Herr Abt«, grüßte der schlanke Mann im Handwerkerkittel stirnrunzelnd. »Geht es Euch nicht gut?« Das braune Haar fiel ihm der Mode entsprechend offen bis auf die Schultern.
    Clemens ignorierte die falsche Anrede und schüttelte ungeduldig den Kopf. »Das ist nicht wichtig. Ich suche Pater Nikolaus.«
    »Der ist noch nicht hier, Pater. Ich suche ihn auch, um die Nordtür aufzusperren. Ich muss ein paar Leinwände aufstellen lassen, und meine Gehilfen sollen nicht dauernd durch die ganze Kirche poltern.«
    »Wollt Ihr wohl noch einmal nachschauen, Meister?«, presste der alte Abt heraus.
    »Natürlich, Bruder«, meinte der Handwerker verwundert und schlüpfte wieder in die Kirche.
    Guardian Clemens sank wieder gegen den Türrahmen. Neben ihm saß ein Bettler, der hier im Eck von Kirchenschiff und Südervorhalle sein Quartier aufgeschlagen hatte. »Der Herr segne dich!«, stöhnte der Ordensmann und schlug das Kreuz über ihm.
    Der Bettler, der eben noch schlafend an der Mauer gelegen hatte, hielt nun schon die Hand in seine Richtung. »Ich habe nichts, Mann«, keuchte Clemens. »Ich bin ein Bettelmönch.« Der Mann sah ihn entsetzt an.
    Als hinter dem Franziskaner das Geräusch berstenden Holzes erklang, erkannte er, dass die Hand des Mannes nicht zum Betteln ausgestreckt war. Sie wies auf etwas, das sich hinter Clemens befand. Noch während er sich umwandte, hörte er den Bettler keuchen: »De’ Düvel!«
    Doch der Ruf kam zu spät. Am Karren neben dem Rathaus war das Standbein gebrochen, und die großen und schweren Holzfässer, die für den Ratskeller bestimmt waren, rollten mit viel Schwung herab. Guardian Clemens wollte sich noch zur Seite werfen, da spürte er bereits den ersten Aufprall. Ein Weinfass rammte ihn in die Beine und schleuderte ihn seitlich gegen die Kirchentür. Ein zweites und drittes folgten dem ersten mit solcher Wucht, dass der Franziskaner die eigenen Knochen brechen hörte. Für einen Augenblick war er bei vollem Bewusstsein, und er dankte Gott, dass er keinerlei Schmerzen mehr spürte.
    Dann näherte sich im Halblicht des Morgengrauens eine dunkle Gestalt. Clemens versuchte, eine Hand zu heben, um den Tod abzuwehren, doch die Muskeln gehorchten seinem Willen nicht mehr. Als sein Blick auf seinen Bauch fiel, bemerkte er, dass ein großer Splitter ihm durch den Handrücken in den Leib gedrungen war. Dann überwältigte den Bettelmönch der Schmerz.
     
    Der alte Willem war hinter der Kirchenmauer in Deckung gegangen, als er gesehen hatte, dass die Fässer genau auf ihn und den Franziskaner zurollten. In einem Schwall hatte sich der gute Wein für die Ratsherren auch über ihn ergossen, doch außer dem Schrecken über das Krachen und Splittern des Holzes und den Schrei des Mönches hatte er keinen Schaden genommen.
    Der Bettler ließ ein paar Herzschläge vergehen, um sicher zu sein, dass die Gefahr vorbei war. War der Teufel gekommen, um ihn wegen seiner schlimmen Taten zu holen? In die gespenstische Stille und das Tropfen des Weins drang das schwache Stöhnen des Mönches. Dann spähte der Alte mit einem Auge um die Ecke. Eine

Weitere Kostenlose Bücher