Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
Vom Netzwerk:
findet Ihr nicht merkwürdig, dass ausgerechnet Oldesloe für Euch bürgt?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe aufgehört, mir über seine Handlungen Gedanken zu machen. Der Mann ist sprunghafter als ein Waschweib. Und er hat recht – in diesen Zeiten sollte man nicht allein sein.«
    »Ihr wundert Euch also nicht darüber? Er weiß doch, dass Ihr ihm gefährlich werden könnt! Schließlich«, Marike erinnerte sich an die Magd und die Menschen in der angrenzenden Kammer und senkte die Stimme, »schließlich wisst Ihr Dinge …«
    Notke warf ihr einen bitteren Blick zu und gestand dann: »Er glaubt wohl, genügend gegen mich in der Hand zu haben, damit ich schweige.« Er deutete mit dem Daumen auf die Kemenate, in der Oldesloe gerade verschwunden war. »Ihr habt es gehört – er kann sein Leumundszeugnis jederzeit zurückziehen und mich als Mitschuldigen des Domherrn Nikolaus hinstellen. Er könnte behaupten, der habe mir den Auftrag für das Bild zugeschanzt und ich hätte ihm geholfen, Pater Martin zu töten.« Er schwieg einen Augenblick und warf einen Blick auf die Kemenate, um zu prüfen, ob sie belauscht wurden. »Oldesloe glaubt, dass er mich in der Hand hat. Er will mich erpressen.«
    »Zu was denn?«, fragte Marike besorgt.
    »Zu was er will.« Er fuhr sich mit den Fingern müde durch das Haar, sodass es ihm wild vom Kopf abstand.
    »Aber … Ihr werdet das nicht tun, oder? Egal, was er will?«
    Der Maler schüttelte sanft den Kopf. »Ich habe Oldesloes wahres Gesicht gesehen. Als der Novize hingerichtet wurde und der Scharfrichter starb, da hat er nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Pater Martins Tod, mein Aufenthalt im Kerker … wir sind nur Werkzeuge für ihn. Wie ein Pinsel, den man zum Malen benutzt und schließlich wegwirft, wenn die Borsten ausgefallen sind.« Er hob eine Hand, als wolle er Marike eine lose Strähne hinter das Ohr schieben. Doch er führte die Bewegung mit einem Seitenblick zu Alberte nicht aus.
    »Wir müssen etwas gegen ihn unternehmen. Nur so können wir verhindern, dass er Euch vernichtet«, flüsterte Marike.
    »Ja.« Seine Augen verrieten die Erleichterung, die sein Gesicht verbarg.
    »Was glaubt Ihr – was sollt Ihr für ihn tun?«
    »Ich denke, er will hauptsächlich, dass ich den Totentanz schnell beende. Pest hin, Pest her.«
    Marike machte große Augen. »Aber das heißt doch auch …« Notke nickte. »Dass er mehr Menschen töten wird, ja. Das vermute ich zumindest.«
    »Als stürben da draußen nicht genug Menschen!«, stieß Marike leise hervor. Sie hatte von der Pest in der Stadt genug gesehen, obwohl sie kaum vor die Haustür gegangen war.
    Notke senkte seine Stimme, sodass selbst Marike ihn kaum mehr verstand. Sie machte einen Schritt nach vorn. »Ich bin froh, dass Euer Vater wohlauf ist. Wenn ihm wegen meines Bildes etwas zugestoßen wäre …«
    Marike schielte mit schlechtem Gewissen zu dem Leichnam des jungen Kaufmanns, der keine vier Ellen entfernt von ihnen zum letzten Abschied aufgebahrt war. »Ja, das bin ich auch«, murmelte sie trotz des Knotens in ihrem Hals und bekreuzigte sich, um dem Übel zu wehren. »Wie kann ich froh sein, dass ein anderer an Vaters statt gestorben ist? Das ist Irrsinn!«
    »Ja, das ist es«, stimmte Notke zu. Er legte ihr die Hand auf den Arm, um sie seiner Gegenwart zu versichern. Marike schloss kurz die Augen, denn seine Nähe hüllte sie in einen Mantel der Unberührbarkeit. Nichts schien sie mehr belasten zu können, nichts sie verletzen. Dann sah sie ihn an und las denselben Ausdruck in seinen Augen. »Ich bin sehr froh, dass Ihr aus der Zelle heraus seid, Herr. Ich hätte nämlich nicht ertragen, wenn …« Sie konnte den Satz nicht vollenden, doch sie wusste, dass er sie verstand, denn er drückte ihren Arm kurz. Wie konnte er ihr nur mit einer kleinen Berührung ihre Sorgen und Ängste nehmen? Und was würde erst bei einer Umarmung, einem Kuss geschehen? Sie schreckte zurück. Unkeusche Gedanken waren eine Sünde, die gegen den Herrgott frevelte. Und das zu einer Zeit, in der die Pest einen jeden treffen konnte!
    »Ich … es tut mir leid«, murmelte Bernt Notke und klemmte die Hände in die Achselhöhlen.
    »Nein … alles ist … bestens«, stotterte sie. »Ich, ähm, ich denke, Ihr solltet mit meinem Vater reden«, schloss sie errötend. Sie wünschte, sie könnte das Pater Martin beichten. Oder mit Lyseke besprechen. Sie vermisste die Freundin so sehr, dass es schmerzte. Sie runzelte die Stirn. Sie hatte Lyseke

Weitere Kostenlose Bücher