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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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einen Kanten Brot zwischen die Zähne. Marike kannte sie flüchtig als Frau Gernse. Ihr ihr zur Seite sitzender Mann galt als einer der reichsten Goldschmiede der Stadt.
    »Jordan, der damals die Grawert-Tochter geehelicht hat?«, fragte Herr Constin, ein sehr gläubiger älterer Herr mit weißem Haarkranz. Die Frau nickte bedrückt. »Gott straft uns hart«, murmelte der Mann und verstummte, und so hing ein düsteres Schweigen in der mit prachtvoller italienischer Seide ausgeschlagenen Kemenate.
    »Vielleicht«, bat der sehnige alte Goldschmied Gernse, »erzählt Ihr uns davon, wie Ihr den Mörder des armen Buben da draußen gestellt habt, Cornelius. Das ist doch sicher besser, als hier vor sich hin zu brüten. Wie starb der junge Prütz?« Marike sah erstaunt auf und spitzte die Ohren.
    »Der Kerl hat ihn einfach hinausgestoßen«, erklärte der Flottenkommandant. »Ich habe es genau gesehen und kann es bezeugen.« Er räusperte sich. »Dann rief ich dem Oldesloe zu: ›Passt auf, dass er nicht davonkommt, Herr!‹, und bin zum Fron gerannt, so schnell ich vermochte. Ich bin ja ein wenig jünger und schneller, während der Herr Oldesloe weit kräftiger ist als ich.«
    Er sah sich um und fuhr fort, da die Gäste die Ablenkung begierig aufnahmen. »Ich kam also mit dem Fron und seinen Leuten wieder zu den Heringshäusern, und da sah ich schon von ferne, wie der Oldesloe und der Kerl miteinander rangen! Offenbar hatte der verruchte Schurke zu entkommen versucht. Er hatte eine Klinge, ungefähr so lang«, er zeigte mit beiden Händen eine Länge von etwa einer Elle an, »und Oldesloe nur einen kleinen Holzsplint. Aber Oldesloe ist ja ein Bär von einem Mann, und so hat er dem Kerl eins auf den Schädel gegeben, dass der sich nicht mehr geregt hat.«
    »Ungeheuerlich«, murmelte Frau Gernse und biss in ein Stück Brot. »Nicht wahr? Ungeheuerlich!«
    »Ja, in der Tat«, bestätigte ihr Mann. »Ein einziger Schlag, und er hat sich nicht mehr geregt?«
    »Wer war der Mörder?«, fragte Marike atemlos dazwischen. Was konnte das bedeuten? Oldesloe hatte den Mörder vor Zeugen erschlagen?
    »Es war Domherr Nikolaus, der Kirchenvorstand von Sankt Marien«, Cornelius lächelte beinahe entschuldigend. »Ich habe ja schon immer gesagt, dass der Mann ein wendisches Gesicht hat. Hinterhältig und verschlagen, natürlich stets maskiert mit einer täuschenden christlichen Fassade. Doch diesen Heiden ist ja alles zuzutrauen …«
    Der Ratsherr Cornelius redete noch weiter, doch Marike konnte ihm nicht mehr folgen. Domherr Nikolaus tot – erschlagen von Oldesloes eigenen Händen! Wie konnte das sein? Warum wandten sich die beiden Männer nun gegeneinander?
    Als hätte der Flottenkommandant ihre Gedanken erraten, steuerte er just dieses Thema an. »Der Fron hat gemeint, die Beteiligung des Domherrn erkläre so manche Ungereimtheit beim Tod von Pater Martin, den man erschlagen auf dem Hof der kleinen Marienkapelle oben hinter Sankt Katharinen gefunden hat. Schlimme Sache, das. Zu Hause bei ihm – Nikolaus, nicht Martin – hat man wohl ein paar Teufelszeichen gefunden. Übelste Dämonennamen und solche Dinge. Sogar mit Schierling versetzte Münzen fand man bei ihm, die den Herrn Pömer getötet haben sollen. Und wer weiß, was der Domherr noch alles auf dem Kerbholz hatte. Vielleicht hat er gar die Seuche auf uns herabgerufen. Kann man’s wissen?«
    Marike schnaufte bitter. Natürlich war der Fron mit dieser Lösung zufrieden. Er akzeptierte jede Erklärung für die offenen Fragen, ohne zu sehen, dass sie nur weitere aufwarfen. Immerhin, ein Gutes hätte es – jetzt müsste das Ansinnen ihres Vaters, ein Leumundszeugnis für Bernt Notke abzugeben, nicht mehr auf Widerstand beim Fron stoßen.
    »Teufelsanbeter und Pestzüge«, stieß Frau Gernse bleich aus. »Alle sind krank, und die Priester bringen obendrein dem Satan ein Opfer. Das ist das Ende der Welt.« Sie schlug die Hände vor die Augen und schüttelte sich vor Angst. »Das Ende der Welt! Jetzt fallen wir alle der Verdammnis anheim!«
    »Herr Cornelius«, bat nun Goldschmied Gernse und tätschelte ihr beruhigend die Schulter, »ich glaube, meiner Frau werden diese Geschichten doch ein wenig zu viel. Vielleicht sollten wir von etwas Erfreulicherem sprechen. Etwas weniger Tod und Verderbnis. Vielleicht eine Geschichte von der Liebe?«
    Man einigte sich schnell darauf. Marike wandte sich ab und ging zur Tür. Sie hatte keine Lust, sich die tragischen Begebenheiten der letzten

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