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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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dreißig Jahre anzuhören. Doch sie schreckte in der Bewegung zusammen. Vor ihr stand Bernt Notke.
    »Jungfer Marike!«, stieß er aus. »Was macht Ihr denn hier?«
    Einen Augenblick lang dachte Marike, sie träume. Doch sie sah in die Kemenate, wo Frederik den düsteren Geschichten der hohen Herrschaften lauschte, und fand, dass sie niemals so merkwürdige Dinge träumen würde.
    »Meint Ihr nicht eher, dass Ihr mir erklären müsstet, was Ihr hier tut?«, fragte sie dann, nachdem sie ihre Verwunderung verdaut hatte. »Seid Ihr denn nicht mehr in der Obhut des Frons?«
    »Nein, ist er nicht, Jungfer Pertzeval!«, polterte Oldesloe von der Tür der Dornse aus. Der Ratsherr schien sich nicht daran zu stören, dass er Marike eigentlich vor ein paar Tagen sein Haus verboten hatte. »Ich habe ein gutes Wort beim Fron eingelegt, und da der Mörder ja nun gefasst ist, hat er sich überzeugen lassen, dass Notke nichts damit zu tun haben kann. Niemand sollte in diesen Zeiten allein in einer feuchten Zelle hocken, was, Notke?« Er klopfte dem Maler auf die Schulter.
    »Und dafür werde ich Euch nicht genug danken können, Herr«, erwiderte Notke mit einem so feinen ironischen Unterton, dass nur Marike ihn wahrnahm.
    »Da findet sich schon etwas, Mann! Malt erst einmal Euer Gemälde fertig. Dann überlege ich mir, ob ich Euch zurück in die Fronerei verschiffen lasse oder nicht!« Oldesloe lächelte. Dann wandte er sich Marike zu. »Ich habe gehört, dass Ihr Euren Ruf riskiert habt, um den Herrn hier zu besuchen. Ihr solltet wahrhaft vorsichtiger sein. Manch einer könnte zu falschen Schlüssen kommen, Jungfer. Seht Euch vor! Sonst erfährt Euer Vater noch etwas davon, und dann stirbt er sicher vor Scham!«
    Marike nickte dankbar. Offenbar hatte der Ratsherr mit dem Fron gesprochen und dem Vater noch nichts verraten.
    »Gut.« Oldesloe wollte an ihr vorbei in die Kemenate, doch sie blieb in der Tür stehen. »Gibt es noch etwas?«
    Marike sah zur Treppe in den Wohnbereich hoch. »Kommt Lyseke noch herunter? Ich wollte sie wenigstens einmal wieder kurz sehen. Wenn das gestattet ist.«
    Der bullige Ratsherr zog die Brauen zusammen. »Ist es nicht, Jungfer. Sie will Euch nicht sehen.«
    Seine Worte vergrößerten den Knoten in Marikes Hals noch. Lyseke gab sich und Marike also immer noch die Schuld für Gunther von Kirchows Tod.
    »Kommt Ihr herein?« Er wies in Richtung Kemenate. »Wir wollen einander Beistand leisten in diesen dunklen Zeiten.«
    Marike schüttelte den Kopf. »Ich will noch von Herrn Matthias Abschied nehmen.« Auch Notke lehnte ab. »Ich werde die Jungfer nicht alleine lassen.«
    Als Frederik einen Blick aus der Kemenate warf, versicherte Marike ihn des Anstandes halber: »Alberte ist hier, Frederik. Keine Sorge.« Der Kaufmannsgeselle mit dem weichen Gesicht nickte. Offenbar war er ganz froh über die Gelegenheit, sich den hohen Herrschaften anbiedern zu können.
    Oldesloe zuckte mit den Schultern und winkte seine Magd mit einem Finger gen Wendeltreppe. Die trübselige dürre Frau setzte sich auf eine der unteren Stufen und schwieg, auch wenn Marike ganz sicher war, dass sie jede ihrer Bewegungen mitbekäme, wenn sie das wollte. Doch Alberte schien eher mit sich selbst beschäftigt, als andere Leute zu bespitzeln.
    Marike ging hinüber zum Leichnam und faltete dort für ein paar Augenblicke die Hände, bis Oldesloe und Frederik in der Kemenate ins Gespräch vertieft waren. Schließlich drehte sie sich um und betrachtete das Wandgemälde, das sie doch von früheren Besuchen bereits so gut kannte. Der Herr Jesus hatte das Brot in der Hand und reichte es dem Betrachter gerade entgegen. Rechts und links von ihm saßen seine Jünger mit ihren unterschiedlichen Attributen. Marike hatte sich immer gewundert, warum der Verräter Judas mit seinen dreißig Silberstücken wie alle anderen Apostel an der Seite des Gottessohnes dargestellt worden war. Üblich war, dass Judas eine Sonderstellung erhielt, sei sie vor dem Tisch oder abseits. Es war beinahe, als habe der Maler dieses Wandgemäldes den Judas als einen ganz normalen Apostel angesehen, nicht einen, der imstande war, den Sohn Gottes zu verraten. Sie bemerkte, dass Notke neben sie trat, um das Bild zu begutachten.
    »So«, begann sie befangen, »Oldesloe hat also für Euch gebürgt, Meister Notke?«
    Notke runzelte die Stirn. »Ich hatte gedacht, Euch würde erfreuen, dass ich frei bin. Ihr seht nicht fröhlich aus.«
    »Ich … ich bin froh, Herr Notke. Aber

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